Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 08.11.1995; Aktenzeichen S 5 Ka 161/94) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 8.11.1995 und die Bescheide des Beklagten vom 6.5.1994 und 12.9.1995 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch des Klägers neu zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des Senats zu beachten.
2. Der Beklagte hat die dem Kläger in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1932 geborene Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Honoraranforderung für das Quartal I/93. Er besitzt seit Dezember 1970 die Gebietsarztanerkennung als Internist und ist seit Juni 1980 als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen ambulanten Krankenversorgung zugelassen.
Die Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde bei ihm nach Durchschnittswerten im Vergleich zu den die jeweiligen Leistungen ebenfalls ausführenden Ärzten der insgesamt aus 51 praktischen Ärzten und Ärzten für Allgemeinmedizin bestehenden Fachgruppe vorgenommen (sogenannte individuelle Vergleichsprüfung nach der bei den Prüfgremien der Beigeladenen zu 1. üblichen Braunbeck'schen Methode).
Im streitigen Quartal hat der Kläger in seiner ländlichen Praxis ähnlich wie in nahezu allen vorausgegangenen Quartalen gut die Hälfte weniger Behandlungsfälle (476 zu 1237) und einen um die Hälfte höheren Rentneranteil (43 % zu 27 %) als der Durchschnitt der gesamten Fachgruppe. Er überschritt bei den Sonderleistungen den Fallwertdurchschnitt um 74,50 % (13,89 DM zu 7,96 DM), wobei der erhöhte Rentneranteil bereits berücksichtigt (gewichtet) ist. Entsprechend ergab sich beim Gesamthonorar eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 26,63 % (95,39 DM zu 75,33 DM).
Die Mehrkosten bei den Sonderleistungen beruhten im wesentlichen auf Fallwertüberschreitungen durch Injektionen nach der GO-Nr. 252 um 48 % und nach der GO-Nr. 253 um 73 % sowie durch medikamentöse Infiltrationsbehandlungen nach der GO-Nr. 267 um 243 % und Lokalanästhesien zur Schmerzbehandlung nach der GO-Nr. 410 um 464 %.
Andererseits lagen durchweg wie in früheren Quartalen Unterschreitungen der Durchschnittswerte – jeweils auf die Primärkassen bezogen – vor bei den Arzneikosten um 18,5 % (allein bei den Rentnern um 28,2 %), bei den Arbeitsunfähigkeitsfällen um 44 % (nur bei den Mitgliedern) und bei den Arbeitsunfähigkeitstagen um 7 %. Bei den Krankenhauseinweisungsfällen lag der Kläger im streitigen Quartal zwar um 17 % über dem Durchschnittswert, aber im Jahresdurchschnitt 1992 um 27 % darunter, ebenso wie im Jahresdurchschnitt 1992 bei den Arzneikosten um 16,4 % (allein bei den Rentnern um 25,1 %), bei den Arbeitsunfähigkeitsfällen um 26 % (wieder nur bei den Mitgliedern) und bei den Arbeitsunfähigkeitstagen auch um 26 %.
Durch Bescheid vom 29.7.1993 (Beschluß vom 16.6.1993) wurde die Honoraranforderung bei den Sonderleistungen um 13,96 % = 941,70 DM gekürzt. Es verblieb eine Überschreitung bei den Sonderleistungen um 50 % und beim Gesamthonorar um 24 %. Zur Begründung ist ausgeführt, damit sei der Individualität der Behandlungsweise des Klägers ausreichend Rechnung getragen. Besondere Praxisumstände oder kausale kompensatorische Einsparungen lägen nicht vor. Der Mehraufwand lasse auf eine Leistungsausweitung infolge der verhältnismäßig stark unterdurchschnittlichen Fallzahl schließen.
Den Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom 6.5.1994 (Beschluß vom 23.3.1994) zurück mit der Begründung, zu berücksichtigende kompensatorische Minderaufwendungen lägen nicht vor, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, in welchen Fällen er durch seine Behandlungsweise bestimmte Einsparungen erzielt habe. Der Beklagte hat diese Entscheidung während des Klageverfahrens durch weiteren Bescheid vom 12.9.1995 (Beschluß vom 30.8.1995) bestätigt, nachdem der Senat ihn in einer anderen Honorarstreitigkeit des Klägers zur erneuten Prüfung und Entscheidung verpflichtet hatte (Urteil vom 20.4.1995 – L 5 Ka 54/93 –).
Dagegen hat der Kläger wie schon im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, als Praxisbesonderheiten seien neben dem deutlich erhöhten Rentneranteil auch die im übrigen überalterte Klientel mit einem generell erhöhten Beratungsaufwand und die niedrige Fallzahl mit geringen Ausgleichsmöglichkeiten sowie als ursächlich kompensatorisch die umfangreichen Einsparungen zu berücksichtigen. Die Arbeitsunfähigkeitsfälle, die Krankheitsdauer und die Arzneiverordnungen seien dadurch erheblich geringer, daß er gerade die beanstandete Neural- und Injektionstherapie vor allem bei den schwererkrankten Patienten verstärkt einsetze. Durch intensive Wundbehandlungen erziele er ebenfalls erhebliche Einsparungen bei den Überweisungen an Chirurgen und Hautärzte und auch bei den Krankenhauseinweisungen. Das gelte in gleicher Weise für die Neural- und Injektionstherapie, mit der er heftige Schmerzzustände des Bewegungsapparates erfolgreich selbständig behandele und dadurch Überweisungen an Orthopäde...