Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Erhöhung der Verletztenrente. Zugunstenverfahren gem § 48 Abs 1 S 1 SGB 10. wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands. haftungsausfüllende Kausalität. Theorie der wesentlichen Bedingung. unfallunabhängige Augenbeschwerden und Verschlechterung der Sehfähigkeit am rechten unverletzten Auge. unfallbedingte Blindheit am linken Auge. Ausschluss unfallunabhängiger Nachschäden von der Entschädigungspflicht
Orientierungssatz
1. Zur Ablehnung der Erhöhung der Verletztenrente wegen des Nichtvorliegens einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands gem § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 (hier: kein Ursachenzusammenhang zwischen den unfallunabhängigen Augenbeschwerden am rechten unverletzten Auge und dem unfallbedingten Verlust des linken Auges aufgrund eines früheren Arbeitsunfalls).
2. Die unfallunabhängigen Beeinträchtigungen des unverletzten Auges sind als sog Nachschäden von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen, selbst wenn sie sich auf die Unfallfolgen des ersten Unfalls dergestalt auswirken, dass sie die unfallbedingte MdE verstärken, da Nachschäden die damaligen Verhältnisse, die für die Feststellung der Unfallentschädigung maßgebend gewesen sind, nicht mehr beeinflussen können (Anschluss an BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 20/91 = BSGE 70, 177 = SozR 3-2200 § 581 Nr 2).
Nachgehend
Tenor
1.Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 25. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Ablehnung einer Rentenerhöhung nach einem Verschlimmerungsantrag vom 24. September 2015.
Der 1940 geborene Kläger erlitt am 15. April 1954 einen Arbeitsunfall, bei dem seinem linken Auge durch einen Splitter eine perforierende Verletzung zugefügt wurde. Infolge dieser Verletzung ist er auf dem linken Auge blind. Die Beklagte erkannte eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 25 % an und gewährte dem Kläger auf dessen Antrag hin mit Bescheid vom 12. Mai 1975 eine vollständige Abfindung nach § 604 Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Bescheid enthält den Hinweis, dass der Anspruch auf Verletztenrente nach § 605 Satz 1 RVO trotz der Abfindung insoweit begründet ist, als die Folgen des Arbeitsunfalls sich nachträglich wesentlich verschlimmern; als wesentlich gelte eine Verschlimmerung nach § 605 Satz 2 RVO nur, wenn durch sie die Erwerbsfähigkeit des Verletzten für länger als einen Monat um mindestens zehn vom Hundert weiter gemindert werde.
Am 12. Oktober 1992 erlitt der Kläger einen weiteren Unfall, bei dem er von einem Baum stürzte und sich ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog. Diesen Unfall erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Februar 1994 als Arbeitsunfall an und gewährte für die Zeit vom 15. Februar 1993 bis 30. November 1993 eine vorläufige Rente nach einer MdE von 10 % und mit weiterem Bescheid vom 12. Juli 1994 ab dem 1. Dezember 1993 eine Unfallrente ebenfalls nach einer MdE von 10 %.
Im November 1992 machte der Kläger wegen des Unfalls vom 15. April 1954 eine Verschlimmerung der Unfallfolgen geltend (Zunahme des Schielwinkels bei sekundärem Auswärtsschielen). Nach Einholung eines augenärztlichen Gutachtens des Dr. E vom 4. August 1993 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 26. August 1993 die Gewährung einer erneuten Verletztenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund einer Zunahme des Schielwinkels des linken Auges sei nunmehr die MdE zwar mit 30 % zu bewerten, aber dies stelle keine wesentliche Verschlimmerung dar.
Im August 1997 machte der Kläger erneut eine Verschlimmerung der Unfallfolgen geltend. Die Beklagte holte zunächst ein Gutachten beim Augenarzt Dr. B ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 19. Dezember 1997 aus, die Unfallfolgen am linken Auge seien unverändert, neu seien aber nasal ausgeprägte Gesichtsfelddefekte am rechten Auge. Es müsse geklärt werden, ob diese Veränderungen mit dem Unfall zusammenhingen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. April 1998 führte Dr. B aus, dass ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu bejahen sei. Zwar sei die Gesichtsfeldeinschränkung am rechten Auge erst viele Jahre nach dem Ereignis von 1954 eingetreten, es sei aber „aus der Literatur bekannt, dass so etwas eintreten kann“, deshalb betrage die MdE 60 %.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten bei dem Augenarzt Dr. W vom 7.
Oktober 1998 ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass kein medizinischer Zusammenhang zwischen der Verletzung am linken Auge durch den Unfall von 1954 und der nach 1993 aufgetretenen Gesichtsfeldeinschränkung des rechten Auges bestehe. Es bestehe auch kein medizinischer Zusammenhang zwischen dem Unfall aus dem Jahr 1992 und den Gesichtsfeldveränderungen am rechten Auge. Dies zeige ein völlig normales Computertomogramm des Schädels aus dem Jahr 1996. Auch würden unfallbedingte Gesichtsfeldveränderunge...