Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Überprüfungsverfahren. Überprüfungsumfang und -pflicht. Anforderungen an einen hinreichend konkreten Überprüfungsantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Prüfpflicht nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X wird - sowohl nach der 1. als auch nach der 2. Alternative - erst bei einem hinreichend objektiv konkretisierbaren Antrag ausgelöst.
2. Dieser Antrag erfordert, dass entweder aus diesem selbst - ggf nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Leistungsberechtigten aufgrund konkreter Nachfrage des Sozialleistungsträgers der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar werden muss; der Verwaltung muss sich aufgrund oder Anlass des Antrags im Einzelfall objektiv erschließen, aus welchem Grund - Rechtsfehler und/oder falsche Sachverhaltsgrundlage - nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll.
Normenkette
SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; SGG § 77; SGB II § 19
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 08.09.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten der Kläger sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Kläger auf Rücknahme eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.
Der 1978 geborene Kläger zu 1 ist der Vater der am ... 2012 geborenen Klägerin zu 2 und des am ... 2009 geborenen Klägers zu 3. Die Kläger wohnen zusammen mit der Ehefrau des Klägers zu 1 und Mutter der Kläger zu 2 und 3 in einer Mietwohnung in L a R . Mietvertragspartner sind der Kläger zu 1 und seine Ehefrau. Die Grundmiete für die Wohnung betrug 545,30 Euro monatlich. Hinzu kamen Heizkosten in Höhe von 30 Euro und Nebenkosten in Höhe von insgesamt 150 Euro monatlich einschließlich Kosten für zentrale Warmwasserversorgung sowie ein Beitrag von 4,50 Euro monatlich für eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine mietvertragliche Verpflichtung bestand. Auf den Mietvertrag vom ... 2012 auf Bl. 15ff. der Beklagtenakte Band I wird insoweit Bezug genommen.
1. Seit dem 01.10.2012 bezogen die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und stellten durch den Kläger zu 1 am 12.09.2013 einen Weiterbewilligungsantrag.
Der Kläger zu 1, der als Raumausstatter selbstständig tätig war, machte im Rahmen des Formulars EKS - Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit etc. - Angaben zum voraussichtlichen Einkommen, aus denen der Beklagte einen voraussichtlichen durchschnittlichen monatlichen Gewinn in Höhe von 353,67 Euro errechnete. Für die Kläger zu 2 und 3 erhielt die Familie Kindergeld in Höhe von jeweils 184 Euro monatlich. Die Ehefrau des Klägers zu 1 bezog im Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 28.02.2014 Betreuungsgeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in Höhe von 100 Euro monatlich.
Mit Bescheid vom 14.10.2013 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 28.02.2014 vorläufig Leistungen nach dem SGB II. Dem Kläger zu 1 wurden 444,63 Euro für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 31.10.2013 bewilligt, wobei im Bescheid zwischen dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (280,38 Euro) und Bedarfen für Unterkunft und Heizung (164,25 Euro) differenziert wurde. Für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 28.02.2014 wurden ihm 419,60 Euro bewilligt, wobei auch hier zwischen dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (255,35 Euro) und Bedarfen für Unterkunft und Heizung (164,25 Euro) differenziert wurde. Grund für die vorläufige Bewilligung waren die zu erwartenden Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit des Klägers zu 1. Den Klägern zu 2 und 3 wurden für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis zum 31.10.2013 Leistungen in Höhe von jeweils 177,13 Euro (Regelbedarf 12,88 Euro und Bedarfe für Unterkunft und Heizung 164,25 Euro) bewilligt, für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 28.02.2014 jeweils Leistungen in Höhe von 167,16 Euro monatlich (Regelbedarf 2,91 Euro und Bedarfe für Unterkunft und Heizung 164,25 Euro). Der Ehefrau des Klägers zu 1 bewilligte der Beklagte im genannten Bescheid ebenfalls entsprechende Leistungen wie dem Kläger zu 1. Dabei legte der Beklagte eine Kaltmiete von 477,00 Euro zzgl. Heizkosten in Höhe von 30,00 Euro, Nebenkosten in Höhe von 75,00 Euro und Kosten für Wasser/Abwasser/Warmwasser in Höhe von 75,00 Euro zugrunde, die er nach gleichen Kopfteilen auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilte.
Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 1 für die Zeit vom 01.01.2014 bis 28.02.2014 Leistungen in Höhe von monatlich 428,01 Euro (Regelbedarf: 263,76 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung: 164,25 Euro). Den Kläger zu 2 und 3 wurden für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 28.02.2014 jeweils Leistungen in Höhe von 171,97 Euro monatlich (Regelbedarf: 7,72 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung: 164,25 Euro) bewilligt. Der Ehefrau des Klägers zu 1 bewill...