Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Versicherungspflicht. Weiterentrichtungserklärung. Befreiung. Antragsfrist. Wiedereinsetzung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Nach dem Grundsatz der formellen Publizität gelten Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt gegeben. Unerheblich ist hierbei, ob der Betroffene tatsächlich Kenntnis von der Norm, hier von der Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 84 Abs 2 ALG, erhalten hat (vgl BSG vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R = SozR 4-1200 § 14 Nr 5 und vom 9.2.1993 - 12 RK 2/92 = SozR 3-1300 § 27 Nr 3).

2. Die aus § 84 Abs 2 ALG resultierende, grundsätzlich bis zum 60. Lebensjahr bestehende Versicherungspflicht verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

 

Normenkette

ALG § 84 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 3; GAL § 27 Abs. 1 S. 6; SGB X § 27; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.01.2006; Aktenzeichen B 10 LW 9/05 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Fortbestehen der Versicherungspflicht des Klägers zur Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) ab dem 1.10.2000.

Der 1953 geborene Kläger ist Pflegesohn des im Jahr 1999 verstorbenen W G (G). Mit Wirkung zum 1.10.1985 übergab G seine von ihm bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen an den Kläger. In der Abgabemitteilung vom 6.8.1985 wurde als Anschrift des Klägers die L Str. ...in S a. d. W. angegeben, wo er zusammen mit seinen Pflegeeltern wohnte. Mit Bescheid vom 19.8.1985 stellte die LAK H die Mitgliedschaft und Beitragspflicht des Klägers zur Landwirtschaftlichen Alterskasse ab dem 1.10.1985 fest.

Nachdem der Kläger ab dem 1.12.1994 keine landwirtschaftlichen Flächen mehr bewirtschaftete, hatte die LAK Rheinland-Pfalz, Rechtsnachfolgerin der LAK H und Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit Bescheid vom 20.3.1995 das Ende der Versicherungspflicht des Klägers als Landwirt zur Landwirtschaftlichen Alterskasse zum 30.11.1994 festgestellt. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Altersrente die Weiterentrichtung von Beiträgen erforderlich sei. Die vom Kläger unterschriebene Weiterentrichtungserklärung vom 25.3.1995 ging am 30.3.1995 bei der LAK Rheinland-Pfalz ein.

Mit weiterem Bescheid vom 16.5.1995 hatte die LAK Rheinland-Pfalz festgestellt, dass aufgrund der Erklärung über die Weiterentrichtung von Beiträgen auch ab dem 1.12.1994 Beitragspflicht bestehe. Zugleich wurden Angaben zu den Modalitäten der Beitragszahlung gemacht. Darüber hinaus hatte sie den Bescheid mit dem Hinweis versehen: "Sie können bis 31.12.1995 erklären, dass die weitere Entrichtung vorzeitig, nämlich mit Erfüllung der Wartezeit für eine Altersrente, enden soll. In diesem Fall wird die weitere Entrichtung bis 30.9.2000 begrenzt." Sämtliche Bescheide hatte sie an die ursprünglich angegebene Anschrift in S adressiert und auch auf der Weiterentrichtungserklärung des Klägers war diese Anschrift weiterhin angegeben. Am 30.5.1995 ging die vom Kläger unterzeichnete Abbuchungsermächtigung vom 29.5.1995 bei der LAK ein. Eine Erklärung zur Begrenzung der Beitragspflicht auf den Zeitraum bis September 2000 wurde nicht vorgelegt.

Am 7.10.1998 hatte der Kläger telefonisch bei der Beklagten nach der Möglichkeit einer Beitragseinstellung mit Erreichen des 180. Kalendermonats angefragt und erstmals seine aktuelle, bereits seit dem 15.4.1989 bestehende Anschrift in H mitgeteilt. Auf das folgende Hinweisschreiben der Beklagten vom 13.10.1998 erfolgte keine Reaktion des Klägers. Auf die erneute Anfrage im Oktober 2002 beantragte der Kläger am 16.12.2002 die Feststellung des Endes der Beitragspflicht zum 30.9.2000 und die Erstattung der ab dem 1.10.2000 geleisteten Beiträge.

Mit Bescheid vom 17.1.2003 und Widerspruchsbescheid vom 5.3.2003 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 16.5.1995 ab, da eine Erklärung zur Begrenzung der Beitragspflicht nicht abgegeben worden sei. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgerichts Koblenz (SG) mit Urteil vom 26.8.2003 abgewiesen (Az.: S 10 LW 8/03). Das Urteil wurde rechtskräftig.

Im November 2003 beantragte der Kläger nochmals die Überprüfung der Angelegenheit, da er den Bescheid vom 16.5.1995 nicht erhalten habe. Dieser sei von G empfangen und bearbeitet worden. Er, der Kläger, habe später nur noch die Abbuchungsermächtigung unterzeichnet.

Mit Bescheid vom 19.2.2004 und Widerspruchsbescheid vom 23.3.2004 lehnte die Beklagte erneut eine Rücknahme des Bescheids vom 16.5.1995 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 22.4.2004 erneut vor dem SG Klage erhoben und geltend gemacht, den Bescheid vom 16.5.1995 vor Ablauf der Erklärungsfrist bis zum 31.12.95 weder erhalten noch zur Kenntnis genommen zu haben. Der Bescheid sei an seine frühere Anschrift und damit an die Anschrift des am 27.11.1999 verstorbenen G gerichtet worden. G sei Empfänger des Bescheids und dessen weiterer Sachbearbeiter gewesen. G habe ihn lediglich dahingehend informiert, dass er weiterhin beitragspflichtig sei...

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