Entscheidungsstichwort (Thema)

Praktikum. Anerkennungspraktikum. Nachpraktikum. Bildungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

AFG § 34 Abs. 2 Satz 2 in der Fassung HStruktG-AFG von 1975-12-18 steht dem Anspruch auf Förderungsleistungen während der Praktikantenzeit im Rahmen der Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister nicht entgegen (Ergänzung zu BSG, SozR 4100, AFG § 47, Nr. 12; LSG Rheinland-Pfalz 1975-09-22 – L 1 Ar 10/75 –).

 

Normenkette

AFG § 34 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1975-12-18

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 07.02.1979; Aktenzeichen S 2 Ar 87/78)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 7. Februar 1979 abgeändert:

Der Bescheid des Arbeitsamts Koblenz vom 17. November 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 1978 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger auch für die Teilnahme an dem im Rahmen seiner Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister vorgeschriebenen Praktikum Förderungsleistungen zu gewahren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin Förderungsleistungen nach §§ 44, 45 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) für die Teilnahme an dem nach §§ 10 Abs. 2 Satz 2, 11 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten (MassG) vorgeschriebenen 1 1/2 jährigen Praktikum.

Der 1946 geborene Kläger ist gelernter Bauschlosser. Er hat jedoch von April 1967 bis September 1976 nicht mehr in diesem Beruf, sondern überwiegend als Sanitäter, zuletzt bei den M.-Reifenwerken in Bad …, gearbeitet. Dort wurde er zum 30. September 1976 entlassen. Danach besuchte der Kläger ab 5. Oktober 1976 die Kneipp-Gesundheitsschule in B. dem Ziel der Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister. Am 28. September 1977 legte er die Prüfung als Masseur (§ 9 MassG) ab. Bis zu diesem Zeitpunkt erhielt er vom Arbeitsamt Koblenz (Unterhaltsgeld Uhg) nach §§ 44 Abs. 2, 46 Abs. 1 AFG und sonstige Leistungen nach § 45 AFG.

Den am 9. November 1977 gestellten Förderungsantrag des Klägers für das am 1. Oktober 1977 in Bad … begonnene Praktikum lehnte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 17. November 1977 und Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1970 unter Hinweis auf § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 ab.

Mit der Klage hat der Kläger wie schon im Widerspruchs verfahren geltend gemacht, die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, es handele sich um ein nicht förderungsfähiges Anerkennungspraktikum. In Wahrheit sei das Praktikum eine gesetzlich vorgeschriebene zusätzliche Ausbildung und Schulung, ohne die niemand den Beruf eines Masseurs und medizinischen Bademeisters ausüben dürfe. Während der Praktikantenzeit könne er noch keine eigenverantwortliche Berufstätigkeit ausüben. Ein wesentlicher Teil der Praktikantenzeit diene der Schulung. Den Praktikanten würden die in der Praxis vorkommenden Therapieabläufe verständlich gemacht. Dabei seien sie ständig gezwungen, sich auch eingehend mit theoretischen Problemen zu befassen. Als Praktikant könne er nicht als vollwertige Arbeitskraft angesehen werden. Deshalb erhalte er keinen entsprechenden Tariflohn, sondern lediglich eine Ausbildungshilfe von 812,50 DM netto im Monat. Davon könne seine Familie (nicht berufstätige Ehefrau und zwei Kinder im Alter von 5 und 7 Jahren) nicht leben, auch wenn er daneben noch Wohngeld und Kindergeld erhalte. Er habe deshalb bereits erhebliche Schulden machen müssen. Durch die Umschulung habe er im Vergleich zu seinem früheren Arbeitseinkommen bereits rund 20.000,– DM eingebüßt. Deshalb müsse ihm zumindest aus Billigkeitsgründen auch während des Praktikums Förderung gewährt werden.

Das Sozialgericht Mainz hat die Klage mit Urteil vom 7. Februar 1979 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 19. Februar 1979 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 19. März 1979, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Wenn § 34 Abs. 2 Satz 2 AFG trotz des Ausbildungscharakters des Praktikums tatsächlich die weitere Forderung ausschließe, bedürfe dies einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihm für die vorgeschriebene Praktikantenzeit Förderungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Einbeziehung von sogenannten Nachpraktika in die individuelle Förderung der beruflichen Bildung sei vor allem deshalb zweifelhaft, weil diese nach der die Maßnahme abschließenden Prüfung in einem Arbeitsverhältnis oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnis schematisch zeitlich abliefen und allenfalls noch einen unwesentlichen B...

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