Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 05.10.1993; Aktenzeichen S 11 Ar 399/92)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5.10.1993 und der Bescheid vom 6.10.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.1992 dahingehend abgeändert, daß nur eine Sperrzeit von 6 Wochen eingetreten ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat 50 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob im Leistungsbezug der Klägerin vom 1.9. bis 23.11.1992 eine Sperrzeit eingetreten ist, weil sie ihr Beschäftigungsverhältnis durch Auflösungsvertrag beendete, um zu ihrem damaligen Verlobten und jetzigen Ehemann umziehen zu können.

Die 1958 geborene Klägerin beendete ein langjähriges Beschäftigungsverhältnis als medizinisch-technische Assistentin bei der Universitätsklinik G. durch Aufhebungsvertrag vom 3.7.1992 zum 31.8.1992. Zuletzt hatte sie monatlich 3.351,68 DM verdient. Die maßgebliche Kündigungsfrist hätte drei Monate zum Quartalsende betragen. Der Arbeitgeber hatte zwar auch einer Auflösung des Arbeitsvertrages zu einem späteren Zeitpunkt zugestimmt. Durch die tatsächlich erfolgte Terminierung wurde jedoch einer Arbeitskollegin der Klägerin eine halbjährige Arbeitslosigkeit erspart, weil sie nahtlos, dh ohne Besetzungssperre, auf die Planstelle der Klägerin wechseln konnte. Grund für den Abschluß des Aufhebungsvertrages war der beabsichtigte Umzug nach K. zu ihrem damaligen Verlobten, der in K. als Tierarzt tätig war. Am 27.8.1992 bewarb sich die Klägerin auf eine Stellenanzeige in einer Tageszeitung. Nach Durchführung eines Vorstellungsgesprächs am 6.9.1992 wurde die Einstellung zum 1.10.1992 vereinbart, so daß die Klägerin nur in der Zeit vom 1.9. bis 1.10.1992 arbeitslos war.

Am 31.8.1992 beantragte die Klägerin die Gewährung von Arbeitslosengeld. Leistungen erhielt sie von der Beklagten jedoch nicht, weil diese wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit gemäß § 112 Abs. 1 i.V.m. § 112 a AFG feststellte (Bescheid vom 6.10.1992). Das Arbeitsamt vertrat dabei die Auffassung, der Zuzug zum Verlobten sei nur dann ein wichtiger Grund zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i.S. von § 119 Abs. 1 AFG, wenn zum Beendigungszeitpunkt bereits feststehe, daß die beabsichtigte Heirat wenigstens unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses stattfinden werde. So sei es bei der Klägerin jedoch nicht gewesen.

Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie habe sich schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses in G. um eine neue Stelle in K. bemüht, aber weder über das Arbeitsamt noch auf andere Art und Weise Arbeit erhalten. Die in dem angefochtenen Bescheid implizit enthaltene Forderung, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Universität G. genau zu dem Zeitpunkt zu terminieren, zu dem sie in K. eine neue Arbeitsstelle gefunden habe, sei für sie angesichts des von potentiellen neuen Arbeitgebern aufgestellten Anspruchs kurzfristiger Verfügbarkeit und der Forderung ihres alten Arbeitgebers nach einem zumindest mittelfristig absehbaren Ausscheiden objektiv nicht erfüllbar gewesen. Daß der Umzug zum Verlobten ein wichtiger Grund sei, ergebe sich nicht zuletzt aus Art. 1 und 2 des Grundgesetzes sowie Art. 1 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz. Unabhängig davon verstoße die Feststellung einer Sperrzeit von 12 Wochen bei einer nur 4-wöchigen Arbeitslosigkeit gegen das Übermaßverbot.

Die Widerspruchsstelle des Arbeitsamtes wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.11.1992). Zutreffend sei zwar, daß die Klägerin sich schon am 22.7.1992 beim Arbeitsamt Koblenz gemeldet habe; dies führe jedoch zu keinem anderen Ergebnis, denn zu diesem Zeitpunkt sei der Aufhebungsvertrag bereits abgeschlossen gewesen. Im übrigen habe auch kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Umzug der Klägerin und der bevorstehenden, am … 1992 erfolgten Hochzeit bestanden, zumal – unstreitig – im Zeitpunkt des Umzugs noch kein Aufgebot bestellt gewesen sei. Schließlich liege trotz der nur kurzen Arbeitslosigkeit auch keine zur Reduzierung der Sperrzeit auf 6 Wochen führende Besondere Härte i.S. von § 119 Abs. 2 AFG vor. Allgemeine Lebensumstände oder Umstände, welche die Stellung des Arbeitslosen als Arbeitnehmer kennzeichnen, könnten grundsätzlich eine Herabsetzung der Sperrzeit nicht rechtfertigen.

Das Sozialgericht Koblenz hat auf die am 27.11.1992 eingegangene Klage die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Arbeitslosengeld gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (Urteil vom 5.10.1993). Zur Begründung der Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe für ihr Verhalten einen wichtigen Grund i.S. des § 119 Abs. 1 AFG gehabt. Zwar habe das Bundessozialgericht in Urteilen von 1977 und 1981 anders entschieden. Da inzwischen jedoch in der Akzeptanz nic...

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