Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 18.04.1994; Aktenzeichen S 11 Ar 123/93)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18.4.1994 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28.1.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.1993 dahingehend abgeändert, daß nur eine Sperrzeit von 6 Wochen eingetreten ist. Die Beklagte wird verurteilt, nach Ablauf dieser sechswöchigen Sperrzeit der Klägerin Arbeitslosengeld zu gewähren.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat 50 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob im Leistungsbezug der Klägerin eine 12-wöchige Sperrzeit eingetreten ist, weil sie ihr Beschäftigungsverhältnis aufgelöst hat, um mit ihrem Verlobten zusammenleben zu können.

Die Klägerin arbeitete als Krankenschwester in B.. Zuletzt erzielte sie ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.091,67 DM. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 10.12.1992 zum 31.12.1992, weil die Klägerin mit ihrem Verlobten, mit dem sie in B. bereits zusammengelebt hatte, nach B. H. übersiedeln wollte, wo dieser am 1.2.1993 eine neue Arbeitsstelle antrat.

Am 15.12.1992 beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt Berlin die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Sie gab im Laufe des Verwaltungsverfahrens an, sie habe die komplette Wohnung in B. renovieren und eine neue Wohnung im Raum B. H. finden müssen. Der Umzug sei am 13.1.1993 nach L. (Rheinland-Pfalz) erfolgt.

Das Arbeitsamt gab dem Antrag zwar statt, stellte jedoch den Eintritt einer vom 1.1.1993 bis 25.3.1993 dauernden Sperrzeit fest, mit der, Folge, daß der Klägerin erst ab dem 26.3.1993 Arbeitslosengeld ausgezahlt wurde. Zur Begründung der Sperrzeitfeststellung führte die Beklagte aus, ein wichtiger Grund i.S. des § 119 AFG zur Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses hätte allenfalls dann anerkannt werden können, wenn sich die Klägerin rechtzeitig vor dessen Beendigung bei dem für den neuen Wohnort zuständigen Arbeitsamt arbeitssuchend gemeldet hätte (Bescheid vom 28.1.1993 und bestätigender Widerspruchsbescheid vom 15.3.1993).

Hiergegen hat die Klägerin am 25.3.1993 beim Sozialgericht Koblenz Klage erhoben.

Sie hat vorgetragen, sie habe mit ihrem Partner schon seit Juni 1991 in fester eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt. Es habe ein regelrechtes Familienleben stattgefunden, und zwar unter Integration ihrer – aus einer anderen Beziehung hervorgegangenen – Tochter. Direkt nach dem Umzug habe sie sich dann arbeitssuchend gemeldet. In Anbetracht der kurzfristigen Besetzung des neuen Arbeitsplatzes ihres Partners sei es ihr schon aus rein zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen, sich rechtzeitig vor der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses bei dem für den neuen Wohnort zuständigen Arbeitsamt als arbeitssuchend zu melden. Auf eine solche Verpflichtung sei sie auch vom Arbeitsamt Berlin, bei dem sie vorgesprochen habe, nicht hingewiesen worden.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.4.1994). Die Klägerin habe für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in B. keinen wichtigen Grund i.S. des § 119 Abs. 1 AFG gehabt. Der Zuzug zum Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht mit dem Zuzug zum Ehegatten gleichzustellen. Der Klägerin sei es deshalb im Interesse der Versichertengemeinschaft zumutbar gewesen, die Trennung von ihrem Partner bis zum Erhalt eines Anschlußarbeitsverhältnisses in Kauf zu nehmen. Die Sperrzeit sei auch ihrer Dauer nach zutreffend festgestellt.

Gegen das ihr am 10.5.1994 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9.6.1994 Berufung eingelegt.

Sie trägt ergänzend vor, sie habe ihren früheren Verlobten am … 1993 geheiratet. Die unterschiedliche Behandlung von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften durch die Beklagte sei verfassungswidrig und mit den tatsächlichen Verhältnissen in der Gesellschaft nicht (mehr) in Einklang zu bringen. Die angefochtene Entscheidung verstoße daher gegen das Verbot der Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 18.4.1994 sowie des Bescheids der Beklagten vom 28.1.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.1993 die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum zwischen dem 1.1.1993 und dem 26.3.1993 zu bewilligen,

vorsorglich,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

vorsorglich,

die Revision zuzulassen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und trägt ergänzend vor, bis zum Zeitpunkt der erneuten Arbeitslosmeldung der Klägerin sei auch zweifelhaft, ob sie verfügbar gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. …) und die Gerichtsakte. Sie waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, weil sie einen auf...

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