Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 04.12.1990; Aktenzeichen S 7 I 606/89)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 4.12.1990 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren nur noch um die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Die 1934 geborene Klägerin hat einen Beruf nicht erlernt. Von 1971 bis 1989 arbeitete sie als Postzustellerin.

Am 2.8.1989 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Sie legte ein Attest des Orthopäden Dr C. vom 1.8.1989 vor, der eine Behandlung der Klägerin seit April 1979 wegen eines rezidivierenden Cervikal- und Schulterarmsyndroms beidseits bescheinigte.

Die Beklagte veranlaßte eine gutachterliche Untersuchung der Klägerin durch den Chirurgen, Arbeits- und Sozialmediziner MedDir G. Dieser stellte im Gutachten vom 25.8.1989 folgende Diagnosen:

  1. „Chronisch rezidivierende Cervicobrachialgie mit Cephalgien bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und steilgestellter Längsachse. Periarthropathia humero scapularis beidseits.
  2. Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule.
  3. Hypertonie.
  4. Vegetative Unausgeglichenheit.
  5. Adipositas, Fettstoffwechselstörungen.
  6. Retropatellararthrose beidseits.”

Zur Leistungsfähigkeit der Klägerin führte der Gutachter aus, schwere und bereits auch mittelschwere Arbeiten seien nicht mehr zumutbar. Dies gelte auch für Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten, frequente Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Belastung durch anhaltendes Stehen und Gehen sowie Tätigkeiten in Nässe- und Kälteexpositionen. Eingeschränkt einsetzbar sei die Klägerin ferner für vegetativ belastende Tätigkeiten. Leichte Arbeiten ebenerdig in temperierten Räumen in wechselnder Körperhaltung von Sitzen, Stehen und Gehen unter Beachtung der aufgezeigten Einschränkungen könne die Klägerin noch vollschichtig in Normalschicht verrichten.

Mit Bescheid vom 12.9.1989 lehnte es die Beklagte ab, der Klägerin Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Am 26.9.1989 hat die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Speyer Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein orthopädisches Gutachten eingeholt, das Dr A. am 8.3.1990 erstattet hat. Dr A. hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

  1. „Chronisches Halswirbelsäulensyndrom bei starker Bandscheibendegeneration C 4–7, ventraler und dorsaler Spondylose mit Einengung der Foramina intervertebralia C 4–7, starker Uncovertebral und Spondylarthrose C 4–7 mit Fehlstellung und Cephalgien ohne Nervenwurzelreizerscheinungen.
  2. Leichtes Lendenwirbelsäulensyndrom bei leichter Bandscheibendegeneration L 4-S 1 bei Spondylose L 4 mit Spondylolisthesis L 4–5 (Stadium Meyerding I) Spondylarthrose ohne Nervenwurzelreizerscheinungen.
  3. Leichte Coxarthrose beidseits bei Coxa vara mit Innenrotationseinschränkung und Kapselreizung rechts und leichter Beckentorsion.
  4. Periarthrosis humero scapularis beidseits mit leichter Schultersteife bei leichter Schultergelenksarthrose beidseits und starker Schultereckgelenksarthrose rechts.
  5. Berührungsempfindliche Narbe linkes Handgelenk nach Carpaltunneloperation.
  6. Leichte Fingerendgelenksarthrose beidseits.
  7. Leichter Senk-Spreizfuß beidseits.”

Der Sachverständige hat ausgeführt, der Klägerin seien keine Tätigkeiten mehr zumutbar, die eine einseitige Kopfhaltung erforderten, wie ständige Kopfvorneigung oder Kopf-in Nackenstellung oder Arbeiten, die häufiges Drehen des Kopfes erforderten. Auch sollten Arbeiten vermieden werden, die eine starke Konzentration erforderten. Vermieden werden sollten ferner häufiges Bücken, das Heben von Gegenständen von mehr als 10–15 kg Gewicht sowie ständig stehende Tätigkeiten. Auch ständiges Sitzen sollte weitgehend vermieden werden. Dies gelte auch für Arbeiten mit Fingerspitzengefühl oder Feingefühl sowie Arbeiten mit ständiger Arm-in-Vorhaltung sowie über Kopf. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin noch leichte Frauenarbeiten vollschichtig in geschlossenen, geheizten Räumen ohne Zwangshaltung in wechselnder Körperhaltung zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausüben. Ein internistisches Gutachten halte er im Hinblick auf die ihm mitgeteilten internistischen Erkrankungen für erforderlich.

In dem daraufhin vom Sozialgericht veranlaßten internistischen Gutachten vom 12.7.1990 hat Dr Gr. eine latente Hypothyreose sowie eine Hypercholesterinämie festgestellt. Dr Gr. ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten bei üblicher Arbeitszeit vollschichtig verrichten könne. Auszuschließen seien körperlich schwere und mittelschwere einen darauf, daß sie nach Lohngruppe II des Tarifvertrags der Arbeiter der Deutschen Bundespost zuletzt entlohnt worden sei, nach der Handwerker und diesen gleichgestellte Arbeiter entlohnt würden. Zum anderen beruhe die Zu...

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