Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Einheitlicher Bewertungsmaßstab. Abrechenbarkeit der Untersuchung von Katecholaminen und Metaboliten in mehreren Untersuchungsgängen

 

Leitsatz (amtlich)

Die frühere Nr 4111 EBM-Ä (entspricht Nr 32.300 des EBM-Ä 2000plus) ist mehrfach abrechenbar, wenn Katecholamine und Metabolite in mehreren Untersuchungsgängen untersucht werden (Abweichung von LSG Baden-Württemberg vom 27.8.2004 - L 5 KA 197/04).

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 05.04.2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2002 aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der Kürzung des Honoraranspruchs des Klägers im Quartal II/2000 im Wege einer sachlich-rechnerischen Berichtigung in Höhe von 25,36 €.

Der Kläger nimmt als Facharzt für Laboratoriumsmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der Beklagten teil. Im Quartal II/2000 wurde er von einem anderen Arzt bei einer Patientin im Wege eines Überweisungsscheins zu einer Untersuchung der Katecholamine und der Vanillinmandelsäure (VMS) beauftragt, die er durchführte. Zur Probenvorbereitung extrahierte er die Katecholamine auf einer Kationen-Austauschersäule und eluierte diese wieder; die chromatographische Bestimmung erfolgte mittels Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (HPLC). Die Probe zur Bestimmung der VMS wurde auf einer Anionen-Austauschersäule extrahiert, wieder eluiert und mittels HPLC untersucht. Der Kläger rechnete sowohl für die Untersuchung der Katecholamine als auch für die Untersuchung der VMS jeweils die Nr 4111 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für Ärzte (EBM-Ä) in der seinerzeit geltenden Fassung ab.

Die Nr 4111 EBM-Ä war mit: “Katecholamine und/oder Metabolite„ bezeichnet. Die Überschrift über den Nrn 4111 ff EBM-Ä lautete: “qualitative chromatographische Bestimmung(en) einer oder mehrerer Substanz(en), ggf einschl qualitativem chromatographischem Nachweis, je Untersuchungsgang„. Die Katecholamine (Sammelbezeichnung für stickstoffhaltige Brenzkatechinderivate) umfassen das Adrenalin, das Noradrenalin und das Dopamin. Metabolite sind durch Stoffwechselprozess oder andere enzymatische Leistungen der Zelle in ihrer chemischen Struktur veränderte Umwandlungsprodukte von Stoffen.

Mit Bescheid vom 10.10.2001 verlangte die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) Rheinhessen (Rechtsvorgängerin der Beklagten; zukünftig Beklagte) einen Betrag von 49,60 DM (= 25,36 €) vom Kläger zurück, weil dieser die Nr 4111 zweimal für das gleiche Material (Urin) abgerechnet habe, obwohl sie nur einmal hätte angesetzt werden dürfen. Der hiergegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 9.9.2002 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Nr 4111 EBM-Ä betreffe Katecholamine und/oder Metabolite. Da die VMS ein Metabolit aus dieser Untersuchungsgruppe sei, habe die Nr 4111 bei dem gleichen Untersuchungsmaterial nur einmal in Ansatz gebracht werden dürfen.

Zur Begründung seiner am 30.9.2002 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Eine gemeinsame Untersuchung der Katecholamine und der VMS, eines Metaboliten, sei nicht durchführbar. Zwar sei das gleiche Körpermaterial (Urin) untersucht worden, die Vorbereitung zur Analyse sei jedoch bei den Katecholaminen und der VMS getrennt erfolgt. Die mehrfache Abrechnung der Nr 4111 bei mehreren Untersuchungsgängen sei nicht ausgeschlossen. Die Formulierung “je Untersuchungsgang„ in der Überschrift zu den Nrn 4111 ff EBM-Ä spreche gegen die rechtliche Beurteilung der Beklagten. Ferner fänden sich im EBM-Ä eindeutige Regelungen (z. B in der Nr 4129), wenn eine Nummer nur einmal je Körpermaterial abrechnungsfähig sein solle. Zudem enthalte die Nr 4111, im Gegensatz zu den Nrn 4248 bis 4272 EBM-Ä sowie den Nrn 4417 und 4826 EBM-Ä, keine Mengenbegrenzung.

Die Beklagte hat ua vorgebracht: Andere Stellen des EBM-Ä, wo ebenfalls die Formulierung “je Untersuchung„ verwandt worden sei, sprächen für die von ihr vorgenommene Auslegung der Nr 4111. Im Rahmen der Nrn 4068-4091 und 4551-4625 EBM-Ä sei unbestritten, dass nicht jede tatsächliche Untersuchung abrechnungsfähig sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 5.4.2006 abgewiesen und zur Begründung dargelegt: Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen bedeute die “und/oder-Verbindung„ in der Nr 4111 EBM-Ä, dass die Gebührennummer nur einmal abrechenbar sei, gleichgültig ob nur die Leistung a oder nur die Leistung b oder beide erbracht würden. Mit der “und/oder-Verbindung„ werde von dem in der Überschrift zum Katalog niedergelegten Grundsatz, dass die einzelnen Nummern des EBM-Ä bei mehreren Untersuchungsgängen mehrfach abgerechnet werden könnten, abgewichen. Die “und-oder-Verbindung„ sei bewusst in die Leistungslegende der Nr 4111 aufgenommen worden, weil bis dahin nic...

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