Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 17.03.1993; Aktenzeichen S 9 Ar 76/92)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 17.3.1993 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rücknahme einer bereits bewilligten Förderung der beruflichen Bildung mit Wirkung für die Zukunft.

Der 1956 geborene Kläger ist verheiratet und Vater zweier minderjähriger Kinder. Er war nach einer 1974 abgeschlossenen Ausbildung als Einzelhandelskaufmann zunächst als Soldat auf Zeit später als Arbeiter bei verschiedenen Firmen tätig. Zuletzt arbeitete er seit 1980 als zahntechnische Hilfskraft in einem Dentallabor in P. zu einem monatlichen Bruttolohn von 3.497 DM. Das Arbeitsverhältnis beendete er durch Eigenkündigung am 21.5.1990 zum 31.7.1990 und begann am 9.8.1990 eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger. Hierbei handelte es sich um einen neuen Schulversuch des Kultusministeriums Rheinland-Pfalz, der insgesamt drei Jahre dauerte und in drei Abschnitten durchgeführt wurde. Gemäß der Organisationsverfügung der Bezirksregierung Koblenz vom 24.4.1990 wurde der Bildungsgang in Teilzeitform neben einer entsprechenden Berufstätigkeit angeboten. Die Unterrichtsfächer an der Fachschule für Sozialwesen umfassten im 1. Abschnitt 16 Wochenstunden und im 2. und 3. Abschnitt 14 Wochenstunden.

Nach Vorlage des Erhebungsbogens über die berufliche Bildungsmaßnahme, dem auch die Organisationsverfügung der Bezirksregierung Koblenz vom 24.4.1990 beigefügt war, erkannte das zuständige Arbeitsamt Neuwied mit Schreiben vom 9.7.1990 gegenüber der Berufsbildenden Schule in L. die Förderbarkeit der beruflichen Bildungsmaßnahme an.

Im Rahmen seiner Ausbildung besuchte der Kläger den fachtheoretischen Unterricht an der Berufsbildenden Schule in L.. Die praktische Tätigkeit verrichtete er im B. krankenhaus S. als Heilerziehungspflegeschüler. Hierfür erhielt er ein Ausbildungsgeld in Höhe von 865,30 DM bzw 958,11 DM im 1. und 2. Ausbildungsjahr. Nach dem Ausbildungsvertrag vom 27.6.1990 wurde die Ausbildung in Zusammenarbeit mit der Berufsbildenden Schule durchgeführt. Die theoretische Ausbildung umfasste Unterricht an zwei Wochentagen in der Berufsbildenden Schule. Für die praktische Tätigkeit waren 24 Stunden wöchentlich vereinbart. Nach den Aufnahmevoraussetzungen der Fachschule in L. war der Nachweis der hauptberuflichen Tätigkeit während des Besuchs der Fachschule in einer Einrichtung der Jugend- und Sozialhilfe erforderlich.

Am 30.5.1990 beantragte der Kläger die Förderung dieses Bildungsganges. Mit Bescheiden vom 8.8.1990 und 14.11.1990 bewilligte die Beklagte Fahrkosten für die Zeit vom 3.8.1990 bis zum 31.7.1991 in Höhe von 803,90 DM und Lernmittel in Höhe von 436,90 DM. Auf Grund der Verfügung vom 8.8.1990 gewährte sie zudem für die Zeit vom 9.8.1990 bis 31.5.1993 Unterhaltsgeld (Uhg) als Zuschuß in Höhe von 392,10 DM wöchentlich. Das Ausbildungsgeld wurde hierauf angerechnet.

Nach Rücksprache mit dem LAA Rheinland-Pfalz vertrat das Arbeitsamt Neuwied im Mai 1991 nunmehr die Auffassung, daß es sich bei der Bildungsmaßnahme nicht um einen Vollzeitunterricht, sondern um eine berufsbegleitende Fortbildung handele. Nach Anhörung hob es daraufhin mit Bescheid vom 24.7.1991 für die Zeit ab dem 1.8.1991 die Uhg-Bewilligung auf. Ein Anspruch auf Uhg bestehe bei lediglich berufsbegleitenden Maßnahmen nicht. Fahrkosten könnten nur für die Tage des theoretischen Unterrichts gewährt werden. Auf Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen. Eine besondere Schutzwürdigkeit setze voraus, daß im Vertrauen auf die Bestandskraft des Verwaltungsakts Vermögensdispositionen getroffen worden seien. Eine Vermögensdisposition habe jedoch geringes Gewicht, wenn sie im Vorgriff auf den zu erwartenden Verwaltungsakt getroffen worden sei. Ein Bearbeitungsfehler des Arbeitsamts trete hierbei in den Hintergrund.

Zu seinem Widerspruch erklärte der Kläger, er habe seit mehr als zehn Jahren in einem festen Arbeitsverhältnis gestanden, das er allein im Hinblick auf die mündliche erteilte Förderungszusage des Arbeitsamts aufgegeben habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 6.2.1992 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Vertrauensschutz sei nicht gegeben, da der Kläger unabhängig von der Förderung der Maßnahme durch das Arbeitsamt bereits im Mai 1990 sein Arbeitsverhältnis gelöst und erst später entsprechende Leistungen beantragt habe. Der Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustands für die Zukunft müsse Vorrang eingeräumt werden. Eine Weiterförderung trotz fehlender Anspruchsvoraussetzungen sei zudem mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar. Die Rücknahme bedeute auch keine besondere Härte für den Kläger.

Zwischen den Teilnehmern des Schulversuchs und den Trägern der Maßnahme besteht eine Übereinkunft dahingehend, daß bis zu einer gerichtlichen Klärung des Anspruchs der Teilnehmer gegen die Beklagte ein Darlehen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewäh...

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