Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 13.09.1994; Aktenzeichen S 9 Ar 185/93)

 

Tenor

1. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13.9.1994 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12.2.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.5.1993 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, die Teilnahme des Klägers an der Sonderpädagogischen Zusatzausbildung für Gruppenleiter in Werkstätten für Behinderte vom 7.9.1992 bis zum 17.12.1993 durch Gewährung von Lehrgangsgebühren und Fahrkosten als zweckmäßig zu fördern.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für alle Rechtszüge.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Teilnahme des 1960 geborenen Klägers an dem Lehrgang „Sonderpädagogische Zusatzausbildung für Gruppenleiter in Werkstätten für Behinderte” (SPZA) zu fördern.

Der Kläger, der den Beruf des Werkzeugmachers erlernt hat, ist seit 1.12.1989 als Gruppenleiter in der Schlosserei der Werkstätten für Behinderte des Caritasverbandes in M. (WfB) tätig. Er hat von September 1988 bis zum Mai 1989 sowie vom September 1989 bis Juli 1990 Förderungsleistungen für die Teilnahme an einem Meisterlehrgang erhalten. Am 5.9.1990 hat der Kläger die Meisterprüfung im Werkzeugmacherhandwerk bestanden.

Im März 1992 beantragte er die Förderung zur Teilnahme an einer am 7.9.1992 beginnenden und bis zum 26.11.1993 dauernden SPZA beim Landesverband Rheinland-Pfalz der Lebenshilfe für geistig Behinderte eV.

Die Beklagte lehnte die beantragte Förderung mit Bescheid vom 12.2.1993 ab, weil die SPZA als eindeutig im überwiegenden Interesse der WfB liegende Bildungsmaßnahme anzusehen sei. Im übrigen sei auch ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse für die Teilnahme nicht gegeben.

Zur Widerspruchsbegründung legte der Kläger ein Schreiben seines Arbeitgebers vom 15.3.1993 vor, wonach ohne Nachweis der SPZA das Arbeitsverhältnis wegen § 9 Schwerbehindertenwerkstättenverordnung (SchwbWVO) gekündigt werden müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.5.1993 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz mit Urteil vom 13.9.1994 als unbegründet abgewiesen. Die gegen das ihm am 25.10.1994 zugestellte Urteil am 14.11.1994 eingelegte Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 5.9.1995 als unbegründet abgewiesen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluß vom 14.3.1996 die Revision zugelassen und mit Urteil vom 23.1.1997 das oben genannte Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Zur Begründung hat das BSG im wesentlichen ausgeführt, eine abschließende Entscheidung könne noch nicht getroffen werden, weil noch nicht feststehe, inwieweit gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18.12.1975 (BGBl I, 3133) ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Teilnahme des Klägers an der SPZA bestehe. Eine diesbezügliche Feststellung sei jedoch erforderlich, weil im Hinblick darauf, daß die Teilnahme des Klägers an der SPZA überwiegend im Interesse der WfB liege, ihre Förderung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 AFG grundsätzlich ausgeschlossen sei, so daß eine Förderung hier nur in Betracht komme, wenn der Ausnahmetatbestand des § 43 Abs. 2 Satz 2 AFG erfüllt sei. Die Konkretisierung des Begriffs des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses sei in § 9 der AFuU vom 23.3.1976 i.d.F. der 19. Änderungsanordnung vom 8.3.1991 (ANBA, S 454) erfolgt. Ob die dort genannten Voraussetzungen erfüllt seien, könne aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landessozialgerichts nicht beurteilt werden, weil es zu Unrecht § 13 AFuU in der ab 10.5.1993 geltenden Fassung (ANBA-Sondernummer vom 5.5.1993, S 1) angewendet habe. Diese Vorschrift sei aber gemäß § 30 Abs. 2 AFuU n.F. vorliegend nicht anzuwenden, weil der Kläger vor Inkrafttreten der Neufassung der AFuU in eine berufliche Bildungsmaßnahme eingetreten sei und Leistungen beantragt habe.

Zum besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesse hat das BSG ausgeführt, ein solches könne sich nicht nur quantitativ wegen eines erheblichen Mißverhältnisses zwischen vorhandenen Arbeitsplätzen und qualifizierten Arbeitssuchenden ergeben, sondern auch unter qualitativen Gesichtspunkten, weil eines der in § 2 AFG i.V.m. § 1 AFuU genannten Ziele vordringlich verfolgt werden solle, nämlich das Ziel, geistig oder seelisch Behinderte (§ 2 Nr. 4 AFG) beruflich einzugliedern. Zu berücksichtigen sei hierbei, daß die Behinderten seit der Änderung des Grundgesetzes (GG) durch das Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl I, 3146) unter dem besonderen Schutz des GG stünden. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG dürften sie wegen ihrer Behin...

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