Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Übernahme der Kosten einer Haushaltshilfe. keine Hilfe zur Weiterführung des Haushalts. Hilfe zur Pflege. Nachrangigkeit. Pflegegeldbezug nach SGB 11. keine Überschreitung der Höchstbeträge für Pflegesachleistungen nach SGB 11
Orientierungssatz
1. Eine nur vorübergehende Notlage, deren Beseitigung durch die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts gem § 70 SGB 12 einer drohenden Haushaltsauflösung entgegenwirken soll, liegt nicht vor, wenn wegen (Schwer-)Pflegebedürftigkeit eine zeitlich unbeschränkte Übernahme der Kosten für eine Haushaltshilfe geltend gemacht wird.
2. Hilfe zur Pflege können auch Pflegebedürftige erhalten, bei denen die der Höhe nach begrenzten Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nicht ausreichen, um den bestehenden Pflegebedarf in vollem Umfang abzudecken (vgl BVerwG vom 15.6.2000 - 5 C 34/99 = BVerwGE 111, 241).
3. Bezieht der Pflegebedürftige Pflegegeld gem § 37 SGB 11 anstelle Pflegesachleistungen nach § 36 SGB 11, dessen Pauschbeträge niedriger sind als die Wertobergrenzen des § 36 Abs 3 SGB 11, so können Leistungen gem §§ 61ff SGB 12 erst erbracht werden, wenn die Kosten für notwendige Einsätze von Pflegekräften über die in § 36 Abs 3 SGB 11 geregelten Höchstbeträge hinausgehen würden.
Tenor
1. |
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Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 05.07.2007 - S 6 SO 38/05 - aufgehoben. |
Die Klage wird abgewiesen.
2. |
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Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Erstattung und Übernahme von Kosten einer Haushaltshilfe streitig.
Die 1966 geborene Klägerin, die im Haus ihrer Eltern wohnt, leidet an einer Chondrodystrophie, einer Lähmung beider Beine und einer neurogenen Blasenentleerungsstörung. Sie bezog seit dem 01.01.1991 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach §§ 53 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und erhält seit 01.04.1995 Pflegegeld der Pflegestufe II nach § 37 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in Höhe von 410 € monatlich. Darüber hinaus zahlt ihr der Beklagte aufgrund der Besitzstandsregelung des Art. 51 Pflegeversicherungsgesetz ein monatliches Pflegegeld von 220,37 €. Von der Verbandsgemeinde B-L bezieht sie Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung.
Im September 2004 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe. Nachdem der Beklagte das Gesundheitsamt B-P eingeschaltet hatte und die Ärztin Z in ihrem Schreiben vom 07.12.2004 zu dem Ergebnis gekommen war, dass aufgrund der Schwere der Erkrankung und zur Entlastung der Mutter als Pflegeperson der Einsatz einer Haushaltshilfe für 3 mal 3 Stunden wöchentlich unbedingt erforderlich sei, stellte die Klägerin in diesem Umfang ab 03.01.2005 eine Haushaltshilfe mit einem Stundenlohn von 8 € ein. Auf Anfrage des Beklagten teilte die Barmer Ersatzkasse - Pflegekasse - (BEK) mit Schreiben vom 25.02.2005 mit, dass im sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 24.10.2003 ein Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von durchschnittlich 157 Minuten pro Tag und ein tagesdurchschnittlicher Hilfebedarf von 60 Minuten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung festgestellt worden sei. Die Entscheidung darüber, wofür das Pflegegeld eingesetzt werde, obliege dem Pflegebedürftigen.
Mit Bescheid vom 24.02.2005 und Widerspruchsbescheid vom 23.08.2005 lehnte der Beklagte die Kostenübernahme ab. Das Pflegegeld werde auch für den Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung gewährt. Eine weitere Hilfeleistung nach § 70 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) komme daher aufgrund des Nachranggrundsatzes nicht in Betracht.
Der hiergegen am 13.09.2005 erhobenen Klage hat das Sozialgericht Trier (SG) mit Urteil vom 05.07.2007 stattgegeben. Es hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, die Kosten einer Haushaltshilfe rückwirkend ab 01.01.2005 zu übernehmen. Zwar scheide § 70 SGB XII als Anspruchsgrundlage aus, weil es an einer vorübergehenden Notlage fehle. Die Klägerin gehöre aber zu den Berechtigten nach § 61 Abs. 1 SGB XII mit Anspruch auf Hilfe zur Pflege. Sie sei auf eine Haushaltshilfe angewiesen. Das Pflegegeld entschädige nicht einmal ansatzweise die Pflegeleistungen der Mutter. Der Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, wonach der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellen müsse, mache deutlich, dass die Bewilligung von Pflegegeldleistungen nicht auf dem Bedarfsdeckungsprinzip beruhe.
Gegen das ihm am 30.07.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.08.2007 Berufung eingelegt.
Er trägt vor, es treffe zwar zu, dass die Leistungen nach dem SGB XI nicht vom Bedarfsdeckungsprinzip getragen seien. Eine Aufstockung durch Mittel der Sozialhilfe sei aber nur im Falle unzureichender Pflegesachleistungen vorgesehen. Primäre Leistun...