Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewaltopferentschädigung. vorsätzlich, rechtswidriger tätlicher Angriff. Vollbeweis. mehrere Geschehensabläufe möglich. keine Angaben des Opfers aufgrund der Schwere der Verletzung. Gebrauch eines Kraftfahrzeuges
Orientierungssatz
1. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz, wenn der Vollbeweis, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist nicht erbracht werden kann, da verschiedene Geschehensabläufe - wenn auch mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgrad - denkbar sind und der Kläger aufgrund der Schwere seiner Verletzungen selbst keine Angaben machen kann.
2. Zum Begriff des Gebrauchs eines Kraftfahrzeuges im Opferentschädigungsgesetz (juris: PflVG id Fassung vom 11.5.1976) und Pflichtversicherungsgesetz (juris: PflVG § 12 id Fassung vom 11.5.1976).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).
Der 1976 geborene Kläger beantragte im April 1994 beim Versorgungsamt Koblenz Versorgung nach dem OEG und gab an, er sei am 23.10.1993 nach 0.00 Uhr zwischen den Orten N und H auf der Kreisstraße K 108 Opfer einer Gewalttat geworden. Das Versorgungsamt zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Koblenz (Az:) bei. Daraus ergab sich, dass der Kläger am 23.10.1993 gegen 6.00 Uhr schwerverletzt auf der Kreisstraße 108 zwischen den Ortschaften N und H aufgefunden worden war. Die von der Kriminaldirektion K und der Staatsanwaltschaft K durchgeführten Ermittlungen hatten zu keinem klaren Ergebnis geführt. Weder für einen Verkehrsunfall noch für einen Sturz des Klägers noch für ein versuchtes Tötungsdelikt hatten sich eindeutige Hinweise ergeben. Der Kläger selbst konnte aufgrund der Schwere seiner Verletzungen, eines schwer gedeckten Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischem Psychosyndrom, keine Angaben zu dem schädigenden Ereignis machen. Sein Arzt Dr. M, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neurologie des Reha-Zentrum B, hatte der Kriminaldirektion K mitgeteilt, es sei aus ärztlicher Sicht unwahrscheinlich, dass der Kläger sich je wieder an den Vorfall erinnern könne.
Die Staatsanwaltschaft K hatte die Ermittlungen eingestellt und in der Einstellungsverfügung ausgeführt, aufgrund der Ermittlungen und der Gutachten der gehörten Sachverständigen seien ein Verkehrsunfall oder ein Sturz als Ursache der Verletzungen nahezu auszuschließen. Ein versuchtes Tötungsdelikt sei aufgrund fehlender Abwehrverletzungen nahezu unwahrscheinlich. Möglicherweise seien die Verletzungen dadurch entstanden, dass der Kläger seinen Kopf in die geöffnete Tür eines Pkw gehalten und diese Autotür dann kräftig zugeschlagen worden sei, so dass der Kopf des Klägers von der Tür auf den Türholm geschlagen worden sein könnte. Gehe man von dieser Alternative aus, liege ein Fremdverschulden vor, wenngleich die genauen Hintergründe, weshalb und wie es zu dem Vorfall gekommen sei, weiterhin unklar seien. Hinweise auf mögliche Beteiligte seien nicht zu erlangen.
Mit Bescheid vom 17.01.1996 (Bl. 212 BA) lehnte das Versorgungsamt Koblenz den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, trotz der umfangreich durchgeführten Ermittlungen seien für die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht mit letzter Sicherheit feststellbar gewesen, wie die Verletzungen des Klägers zustande gekommen seien. Selbst bei der von der Staatsanwaltschaft als am wahrscheinlichsten angenommenen Alternative handele es sich letztendlich nur um einen möglichen Verletzungsvorgang, ohne dass mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass sich das Geschehen auch wirklich in dieser Weise ereignet habe. Damit seien aber die Voraussetzungen der Gewährung von Versorgung nach § 1 OEG nicht nachgewiesen.
Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger vorgetragen, weil am Fundort keine nennenswerten Blutflecken vorgefunden worden seien, bei ihm aber ein hoher Blutverlust aufgetreten sein müsse, sei es wahrscheinlich, dass er von einem Dritten, dem Täter, auf die Straße transportiert worden sei, um einen Unfall vorzutäuschen. Die Auffassung der Staatsanwaltschaft, ein versuchtes Tötungsdelikt sei wegen fehlender Abwehrverletzungen unwahrscheinlich, sei nicht nachvollziehbar. Denn bei einem plötzlich und direkt von rückwärts auf den Kopf gerichteten Angriff sei erfahrungsgemäß nicht mit einer Abwehrhandlung zu rechnen. Ebensowenig sei die Überlegung nachvollziehbar, er habe seinen Kopf in die geöffnete Tür eines Pkw gehalten und die Autotüre sei dann kräftig zugeschlagen worden. Bei einem solchen Vorgang hätten an den Schultern und anderen Körperteilen Spuren von Gewalteinwirkungen ersichtlich sein müssen, was aber nicht der Fall gewesen sei. Aus den Umständen des Falles sei es als wahrscheinlich anzusehen, dass der Körperschaden von einem Dritten durch eine Gewalteinwirkung auf den Schädel verursacht ...