Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. Krankengeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nicht nur die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sondern jede während einer Krankheit erfolgende Entgeltzahlung führt zum Ruhen des Krankengeldanspruchs.

2. Die Abgeltung noch zustehender Urlaubstage bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses stellt eine laufende Entgeltzahlung für die Zeit der abgegoltenen Tage dar, um die sich das Beschäftigungsverhältnis verlängert.

 

Normenkette

RVO §§ 189, 311 S. 3, § 381 Abs. 6

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 22.04.1983; Aktenzeichen S 2 K 69/82)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mains vom 22. April 1983 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wurde am 26. Juni 1982 fristlos entlassen. Zur Abgeltung seines Urlaubsanspruchs von 12 Tagen gewährte ihm sein Arbeitgeber die tarifvertragliche Urlaubsvergütung in Höhe von 1.803,89 DM brutto. Vom 28. Juni bis zum 11. Juli 1982 war er arbeitsunfähig krank. In einer ihm am 19. August 1982 zugegangenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beklagten war vermerkt, daß kein Krankengeldanspruch bestehe. Daraufhin hat der Kläger am 26. August 1982 beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage auf Zahlung von Krankengeld für die Zeit von 28. Juni bis zum 11. Juli 1982 erhoben. Die Beklagte hat im nachgeholten Vorverfahren den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1982 mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe auf Grund seines durch die Urlaubsabgeltung bis zum 13. Juli 1982 verlängerter, Beschäftigungsverhältnisses in der strittigen Zeit Arbeitsentgelt erhalten, so daß der Krankengeldanspruch geruht habe. Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, mit der „Verrechnung” seines Urlaubsanspruchs sei ihm ein Verlust entstanden, der durch die Krankengeldzahlung auszugleichen sei.

Durch Urteil vom 22. April 1983 hat das SG Mainz unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 1982 die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 28. Juni bis zum 11. Juli 1982 Krankengeld zu zahlen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Kläger habe auf Grund seiner zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung Anspruch auf Krankengeld, weil er in der strittigen Zeit kein Arbeitsentgelt bezogen habe; die Urlaubsabgeltung stelle keine Lohnfortzahlung im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit, sondern eine finanzielle Entschädigung dafür dar, daß der Kläger wegen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr seinen Urlaub habe nehmen können.

Gegen das ihr am 6. Mai 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 27. Mai 1983 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt.

Sie trägt ergänzend vor, entgegen der Auffassung des SG setze das Buhen des Krankengeldanspruchs nicht voraus, daß der Versicherte für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt „wegen der Krankheit” weitererhalte; vielmehr solle auch „während der Krankheit” – wie es ausdrücklich im Gesetz heiße – keine Doppelzahlung erfolgen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 22. April 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der mündliche Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143, 150 Nr. 1 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das erstinstanzliche Urteil kann keinen Bestand haben.

Entgegen der Ansicht des SG muß die Beklagte dem Kläger nicht das ihm gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit vom 28. Juni bis zum 11. Juli 1982 dem Grunde nach zustehende Krankengeld zahlen. Aufgrund des § 189 RVO nämlich ruhte dessen Krankengeldanspruch im strittigen Zeitraum, weil er damals Arbeitsentgelt erhielt. Zum Arbeitsentgelt in dem hier gemeinten Sinne gehört auch die dem Kläger gewährte Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Anm. 2.2. zu § 189 BVO). Im Gegensatz zu der während des Bestehens eines Beschäftigungsverhältnisses vorgenommenen Urlaubsabgeltung handelt es sich bei ihr um laufendes Arbeitsentgelt für den durch die Summe der abgegoltenen Urlaubstage bestimmten Zeitraum, um den sich – wie vorliegend auch vom Kläger und seinem Arbeitgeber angenommen – das Arbeitsverhältnis verlängerte.

Die Auffassung des SG, die Ruhensvorschrift des § 189 RVO sei – zumindest in ihrer bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung – lediglich bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall anzuwenden, findet im Gesetz keine Stütze. Nicht nur der „wegen der Krankheit” fortgezahlte Lohn, wie das SG meint...

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