Verfahrensgang
SG Trier (Urteil vom 21.03.1974; Aktenzeichen S 3 U 140/72) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 21. März 1974 abgeändert:
Die Klage gegen den Bescheid vom 12. April 1972 wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1914 geborene Kläger erlitt am 20. August 1971 einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall. Beim überfahren einer Straßenrinne mit dem Traktor schlug er mit dem Kopf gegen das eiserne Gestänge des Traktorführerhauses. Dabei zog sich der Kläger eine Beule am Kopf zu und hatte einige Tage Kopfschmerzen. Außerdem trat eine Verschlechterung des Sehvermögens auf dem linken Auge ein. Auf dem rechten Auge ist der Kläger seit seiner Kindheit blind. Am 24. August 1971 suchte der Kläger den Augenarzt Dr. E. auf, der eine Netzhautveränderung am linken Auge feststellte, die er für unfallbedingt hielt. Er überwies den Kläger wegen des Verdachts einer Netzhautablösung zur stationären Behandlung in die Universitäts-Augenklinik M. Hier wurde am 31. August 1971 eine operative Bulbusumschnürung durchgeführt. Danach legte sich die Netzhaut wieder an, so daß der Kläger am 20. September 1971 entlassen werden konnte. Er wurde weiterhin durch Dr. E. ambulant behandelt. Am 16. November 1971 mußte der Kläger wegen einer erneuten Netzhautabhebung wieder in der Universitäts-Augenklinik M. auf genommen und am 24. November 1971 ein zweites Mal operiert werden. Bei seiner Entlassung am 8. Dezember 1971 lag die Netzhaut wieder überall an; die Sehschärfe des linken Auges blieb eingeschränkt.
In einem der Beklagten am 10. März 1972 erstatteten Gutachten gelangte Professor Dr. G. von der Universitäts-Augenklinik M. zu dem Ergebnis, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der am linken Auge des Klägers eingetretenen Netzhautablösung und dem Unfallereignis vom 20. August 1971 sei nicht wahrscheinlich; ein indirektes Kopftrauma könne nach in der medizinischen Wissenschaft teilweise (z.B. von Sachsenweger) vertretenen Auffassung nur dann als Ursache einer Netzhautablösung angesehen werden, wenn dabei eine Knochenfraktur im Schädel und eine eindeutige Gehirnerschütterung aufgetreten seien, wofür im Falle des Klägers kein Anhalt bestehe. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 12. April 1972 die Gewährung einer Entschädigung ab, da eine unfallbedingte Netzhautablösung nicht anzunehmen sei.
Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen, beim Anstoß gegen das eiserne Gestänge des Traktorführerhauses habe er sich eine große Beule am Kopf oberhalb des linken Auges zugezogen. Nach dem Unfall habe er „Blitze” gesehen; im linken Auge habe sich von oben ein Schatten herabgesenkt. Die große Beule und die unmittelbar nach dem Unfall eingetretenen sehr starken Kopfschmerzen seien als Symptome dafür anzusehen, daß er bei dem Unfall auch eine schwere Gehirnerschütterung erlitten habe. Der Kläger hat auf eine augenärztliche Bescheinigung vom 13. Juni 1972 Bezug genommen, in der Dr. E. auf das unmittelbare Auftreten der Sehverschlechterung nach der Kopfverletzung hingewiesen und die Ansicht vertreten hat, die Netzhautablösung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Unfallfolge anzusehen.
Das Sozialgericht Trier hat die Unterlagen der Universitäts-Augenklinik M. über die stationäre Behandlung des Klägers und die beiden Augenoperationen beigezogen und ein Gutachten von Dr. E. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 1. September 1973 ausgeführt, es sei zwar richtig, daß bei einem nicht prädisponierten Auge eine indirekte Kopfverletzung, wie sie der Kläger erlitten habe, keine Netzhautablösung verursache. Beim Kläger habe jedoch infolge Kurzsichtigkeit und altersbedingter Netzhautdegenerationen eine Prädispositon vorgelegen. Es sei deshalb sehr wahrscheinlich, daß es durch die Contusion des Kopfes zu einer Lochbildung in der geschädigten Netzhaut und anschließend zur Netzhautablösung gekommen sei. Dies sei jedenfalls wahrscheinlicher als die von Professor Dr. G. ertretene Meinung, die Ablösung der Netzhaut habe schon vor dem Unfall bestanden und sei dem Kläger erst nach dem Unfall bewußt geworden. Da die Sehstörungen in kürzester Zeit nach dem Unfall aufgetreten seien, müsse ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Netzhautablösung für höchst wahrscheinlich gehalten werden. Demgegenüber hat Professor Dr. G. in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 5. Oktober 1973 darauf hingewiesen, daß aufgrund aller bisher vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen eine Zerstörung der vitreoretinalen Basalmembran außer durch direkte Verletzung (Stich, Verbrennung, Vereisung) nur durch Vorgänge eintreten könne, die im Organismus selbst begründet seien, wie z.B. Entzündungen oder gefäßbedingte Degenerationen, nicht aber durch ein indirektes mechanisches Trauma. Nach medizinisch-wissenschaftlicher Literatur und klinischer Erfahrung sei nicht bekannt, daß nach indirekten Traumen eine Au...