Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Minderung der Anspruchsdauer. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. keine Möglichkeit der Verschiebung der Arbeitslosmeldung auf späteren Zeitpunkt. keine Verschiebung des Zeitpunktes der Entstehung des Stammrechts vor dem 1.1.2005

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 und der Minderung der Anspruchsdauer für das Arbeitslosengeld gem § 128 Abs 1 Nr 4 SGB 3, wenn das Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer in 2002 abgeschlossenen "Frühpensionierungsvereinbarung" unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.3.2003 beendet wurde, zu diesem Zeitpunkt eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung nicht drohte und die Arbeitslosmeldung vor Ablauf des Einjahreszeitraums des § 128 Abs 2 S 2 SGB 3 erfolgte.

2. Auch wenn eine Falschberatung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Hinblick auf den Einjahreszeitraum vorausgegangen sein sollte, kann der Arbeitslose nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als hätte er sich erst nach Ablauf des Zeitraums des § 128 Abs 2 S 2 SGB 3 arbeitslos gemeldet, mit der Folge, dass die Minderung der Anspruchsdauer entfallen wäre und er dann gem § 127 Abs 2 SGB 3 als nun 57-Jähriger Arbeitslosengeld für 32 Monate erhalten hätte. Der erlittene Nachteil könnte nicht durch eine zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden. Denn mit der Arbeitslosmeldung gem § 122 SGB 3 zum 11.11.2003 bei Erfüllung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen ist das Stammrecht auf Arbeitslosengeld entstanden. Während die Antragstellung nach § 323 SGB 3 durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zeitlich "verschoben" werden kann, ist dies bei der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht der Fall. Die Arbeitslosmeldung ist eine Tatsachenerklärung, die nicht widerrufen werden kann. Der Antragstellung kommt nach der Regelung der Anspruchsvoraussetzungen in § 117 SGB 3 nur noch verfahrensrechtliche Bedeutung zu. Die Verschiebung der Antragstellung kann die Entstehung des Stammrechts auf Arbeitslosengeld nicht verhindern.

3. Die erst ab 1.1.2005 in § 118 Abs 2 SGB 3 für den Arbeitnehmer eingeführte Möglichkeit, die Entstehung des Stammrechts bis zur Entscheidung über den Anspruch zu verschieben, findet rückwirkend keine Anwendung (entgegen LSG Darmstadt vom 6.7.2007 - L 7/10 AL 200/04 = info also 2007, 208).

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14.05.2007 - S 3 AL 436/04 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind die Rechtmäßigkeit einer 12-wöchigen Sperrzeit und eine sich daraus ergebende Anspruchsminderung.

Der ... 1946 geborene, verheiratete Kläger war vom 01.04.1982 bis zum 31.03.2003 als "Techniker" bei der Firma I D Speichersysteme GmbH (I) am Standort M beschäftigt. Die ordentliche Kündigungsfrist für die Arbeitgeberin betrug sechs Monate zum Vierteljahresende. I war eine 100%-ige Tochter der I D GmbH. Entsprechend den geschäftspolitischen Entscheidungen des Mutterkonzerns sollte eine Produktion von Speichersystemen in M nicht mehr erfolgen und der Standort M stufenweise bis zum 31.12.2003 geschlossen werden. Geschäftsführung und Betriebsrat der I schlossen am 04.09.2002 zwei "Teilsozialpläne", die jeweils am 31.05.2003 endeten. Ein Teilsozialplan eröffnete den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Jahrgänge 1953 und älter die Möglichkeit ein "Frühpensionierungsangebot" anzunehmen. Falls die entsprechende Vereinbarung bis zum 15.11.2002 abgeschlossen wurde, erhielten die Mitarbeiter zusätzlich einen so genannten "Unterschriftsbonus".

Auch das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch eine "Frühpensionierungsvereinbarung"; diese wurde am 22.10.2002 geschlossen. In Nr. 1 der Vereinbarung ist ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der I aus betriebsbedingten Gründen endete. In Nr. 6 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass bei vorzeitiger einvernehmlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist mit einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs und/oder mit einer Sperrzeit zu rechnen ist, falls er Arbeitslosengeld (Alg) in Anspruch nehmen will. Die Mitarbeiter der I wurden in mehreren Gruppenveranstaltungen über die Voraussetzungen von Alg-Ansprüchen informiert. Der Kläger führte zudem zwei Gespräche mit der Mitarbeiterin der Beklagten M F (M.F.), um sich über seine Ansprüche zu informieren. Das 2. Gespräch fand am 22.01.2003 statt. M.F. riet ihm, sich erst zum 11.11.2003 - nach der Vollendung seines 57. Lebensjahres - arbeitslos zu melden. Bei diesem Gespräch soll dem Kläger auch mitgeteilt worden sein, dass er die volle Anspruchsdauer von 32 Monaten erwerben würde, weil der Abschluss des Aufhebungsvertrages länger als ein Jahr zurückliegen würde.

Der Kläger arbeitete bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in seiner...

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