Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. Handlungstendenz. sachlicher Zusammenhang. Unterbrechung. Beendigung der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit. Beginn des Unfallversicherungsschutzes. Tanken. Überqueren der Gegenfahrbahn. Einordnen in den fließenden Verkehr
Orientierungssatz
Verunglückt ein Versicherter auf dem Weg zur Arbeit nach dem zwischenzeitlichen Auftanken seines Fahrzeugs beim Ausfahren von der Tankstelle auf die Gegenfahrbahn noch bevor er wieder die Fahrspur in Richtung Arbeitsstätte erreicht hat, steht er nicht gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, da zu diesem Zeitpunkt die eigenwirtschaftliche Tätigkeit bzw unversicherte Unterbrechung noch nicht beendet war.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 27.10.2010 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die anlässlich des Unfalles des Beigeladenen vom 08.02.2007 entstandenen Kosten nach den für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschriften zu erstatten.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 98.923,33 € festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch, den die Klägerin gegen die Beklagte wegen der Kosten eines Unfallereignisses geltend macht, das der Beigeladene am 08.02.2007 erlitten hat.
Der Beigeladene, wohnhaft in C-R, war zum Unfallzeitpunkt bei O in B als Warenprüfer beschäftigt. Sein üblicher Weg vom Wohnort an seinen Arbeitsplatz führte über die B 000 in südlicher Richtung. Der Beigeladene legte den Weg auch am Unfalltag mit seinem Roller zurück. Bereits am Vortag hatte er auf dem Heimweg von der Arbeit tanken wollen, hatte das dann aber nach eigenen Angaben vergessen. Deshalb steuerte er am Unfalltag auf dem Weg zur Arbeit eine in Fahrtrichtung links neben der Straße liegende Tankstelle an, um seinen Roller zu betanken. Beim Ausfahren aus der Tankstelle musste der Beigeladene die Straße über die Gegenfahrbahn überqueren, um seinen Weg zum Arbeitsplatz fortzusetzen. Er kollidierte mit einem Fahrzeug, das die B 000 in nördlicher Richtung befuhr und wurde bei dem Unfall erheblich verletzt (Oberschenkelschaftetagenfraktur und Sprunggelenkfraktur links). Er wurde stationär und ambulant behandelt.
Die Klägerin zog die Ermittlungsakten des Verfahrens gegen den Beigeladenen der Staatsanwaltschaft (StA) Dortmund bei, in denen sich ua eine Verkehrsunfallskizze befindet, die von den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten erstellt wurde. Insoweit wird auf Bl 63 der Verwaltungsakten der Klägerin verwiesen.
Die mit dem Unfallereignis einhergehenden Kosten der Behandlung des Beigeladenen übernahm zunächst die Klägerin.
Mit Bescheid vom 16.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2007 lehnte die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 08.02.2007 ab. Zur Begründung führte sie aus, das Betanken eines privaten Kraftfahrzeuges, das zum Zurücklegen des Arbeitsweges benutzt werde, habe regelmäßig privaten Charakter und sei somit der nicht versicherten, eigenwirtschaftlichen Sphäre des Versicherten zuzuordnen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn das Nachtanken während der Fahrt zur Arbeitsstelle unvorhergesehen notwendig geworden sei, damit der restliche Weg zurückgelegt werden könne. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, weil der Beigeladene mitgeteilt habe, er habe bereits am Vortag tanken wollen, dafür allerdings keine Zeit gehabt und das Auftanken vergessen. Der Beigeladene habe den Weg zur Arbeitsstätte durch die private Verrichtung des Tankens auch nicht nur geringfügig unterbrochen. Während der Unterbrechung habe kein Versicherungsschutz bestanden. Dieser setze erst dann wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet sei und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen werde. Zwar habe sich der Beigeladene bereits wieder auf der Straße befunden, die er gewöhnlich zum Erreichen seiner Arbeitsstelle befahre. Allerdings habe sich der Unfall beim Ausfahren aus der Tankstelle und beim Einordnen in den fließenden Verkehr ereignet und müsse noch der eigenwirtschaftlichen Handlung des Tankens zugerechnet werden. Der Beigeladene nahm die bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen (S 11 U 10/07) erhobene Klage am 01.08.2008 zurück.
Im Anschluss hieran forderte die Klägerin die Beklagte auf, die ihr im Zusammenhang mit dem Unfallereignis entstandenen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, der Beigeladene habe einen Arbeitsunfall erlitten. Das Bundessozialgericht sehe die benutzte Straße in ihrer gesamten Breite als versicherungsrechtlich geschützten Weg an. Deshalb verbiete sich eine Prüfung, aus welchen Gründen sich der Beigeladene zum Zeitpunkt des Unfalles gerade an dieser Stelle...