Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 30.10.1980; Aktenzeichen S 1 Ar 45/80)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30. Oktober 1980 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens einander nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Beim Streit um Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit als Konkursausfallgeld (Kaug) geht es darum, ob als Insolvenztatbestand die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit vorliegt.

Der Pächter der Bar „Z. n. L.” in M. W. W. verzichtete im Januar 1979 auf die Gaststättenerlaubnis, meldete zu Monatsende seinen Betrieb steuerlich sowie seine Arbeitnehmer bei der Klägerin ab und erklärte im Februar 1979 vor dem Amtsgericht Mainz die eidesstattliche Versicherung gemäß § 807 ZPO. Nach den Ermittlungen des Vollziehungsbeamten der Klägerin ist er zahlungsunfähig; ein Konkursantrag wurde nicht gestellt. Die Bar wird seit 6. Februar 1979 von A. H. betrieben; Verträge zwischen ihr und dem früheren Pächter W. wurden bezüglich der Gaststätte nicht geschlossen.

Das Arbeitsamt Mainz lehnte es ab, die von der Klägerin im März 1979 geltend gemachten Kaug-Beiträge für die Zeit vom 1. November 1978 bis 31. Januar 1979 in Höhe von 3.751,50 DM zu zahlen, weil kein Insolvenztag nach § 141 b III 2 AFG gegeben sei (Bescheid vom 16. Juli 1979).

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids dem Grund nach verurteilt, an die Klägerin die Pflichbeiträge nach § 141 n I AFG zuzüglich der Säumniszuschläge nach § 24 II SGB IV zu zahlen (Urteil vom 30. Oktober 1980). Dazu hat es u.a. ausgeführt: Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Betriebstätigkeit im Sinn des § 141 b III 2 AFG am 31. Januar 1979 vollständig beendet worden, nachdem zu diesem Zeitpunkt der damalige Pächter W. seine Tätigkeit als Betriebsinhaber aufgegeben hat. Das A. H. seit 6. Januar 1979 in denselben Räumen die gleiche Betriebstätigkeit ausübt, sei unerheblich. Ein Übergang der ausstehenden Verbindlichkeiten sei weder kraft Rechtsgeschäfts noch aufgrund Gesetzes erfolgt. Ein Konkursverfahren komm offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht.

Mit der – vom Sozialgericht zugelassenen – Berufung trägt die Beklagte u.a. vor: Keine der Voraussetzungen des § 141 b I und III AFG liege vor. Der Wechsel des Betriebsinhabers stelle keine Beendigung der Betriebstätigkeit im Sinn des § 141 b III 2 AFG dar. Hierbei sei nicht auf den Arbeitgeber, sondern lediglich auf die Betriebstätigkeit abzustellen, deren vollständige Beendigung gefordert werde. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen. Selbst wenn der neue Pächter die Arbeitnehmer des Früheren nicht übernehme, sei § 141 b III 2 AFG nicht erfüllt, weil die Betriebstätigkeit als solche fortgesetzt werde. Im übrigen würde eine andere Auslegung Manipulationen Tor und Tür öffnen, Wenn allerdings die Klägerin einen Konkursantrag stelle und damit eine Konkursöffnung bzw. Abweisung des Konkursantrags mangels Masse herbeiführe, könne ihren Antrag stattgeben und ihr die für die Beantragung des Konkursverfahrens entstehenden Kosten erstattet werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30. Oktober 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält sie für unbegründet.

Zur Ergänzung des Tatbestands im einzelnen wird auf die Prozeßakte und die Kaug-Akte des Arbeitsverwaltung Bezug genommen; die Akten waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Arbeitsverwaltung ist rechtswidrig, denn die Klägerin kann die geltend gemachten Kaug-Beiträge beanspruchen.

Für die Sicherung der Beiträge nach § 141 n AFG (i.d.F. vor Inkrafttreten des 5. AFG-ÄndG Art. 1 Nr. 55, Art. 10, ab 1. August 1979) liegen die Voraussetzungen des § 141 b III 2 AFG vor: Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens ist nicht gestellt worden, ein Konkursverfahren kommt offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht und – was hier streitig ist – die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit mit Ablauf des 31. Januar 1979 ist gegeben. Der frühere Pächter W. hat zu diesem Zeitpunkt den Betrieb der Bar „Z. n. L.” eingestellt. Daß die Bar ab 6. Februar 1979 von A. H. betrieben wird, ist jedenfalls schon deshalb nicht von Bedeutung, weil sie dazu kein Rechtsgeschäft mit dem früheren Pächter abgeschlossen hat. Insoweit hat sich der Senat der Auffassung im Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 24. April 1978, L 1 Ar 69/77, angeschlossen, der auch das Sozialgericht gefolgt ist. §§ 414, 415, 419 und 613 a BGB sowie § 25 HGB finden mangels eines Rechtsgeschäfts zwischen alten und neuem Pächter hier keine Anwendung. Bei diesen...

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