Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II- Bildung und Teilhabe. Übernahme des persönlichen Schulbedarfs bei Besuch eines Vorbereitungskurses der Volkshochschule zur Erlangung der mittleren Reife. keine Übernahme der Schulgebühren. kein unabweisbarer laufender besonderer Bedarf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf persönlichen Schulbedarf kommt auch dann in Betracht, wenn ein Schüler sich in einem Tageslehrgang der Volkshochschule (VHS) auf den Erwerb des Realschulabschlusses vorbereitet. Auch hierbei handelt es sich um den Besuch einer allgemeinbildenden Schule im Sinne von § 28 Abs 1 SGB II.

2. Zur Übernahme von Schulgebühren ist der Grundsicherungsträger dagegen nicht verpflichtet. Die in § 28 Abs 2 bis 6 SGB II abschließend aufgezählten Leistungen für Bildungsbedarfe sehen eine solche Leistung nicht vor. Auch ein Anspruch aus § 21 Abs 6 SGB II besteht nicht mangels Unabweisbarkeit nicht, da die Erlangung der mittleren Reife allen Schülern im Rahmen des allgemeinen Schulbesuchs kostenfrei möglich ist.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21.05.2015 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2013 geändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger persönlichen Schulbedarf in Höhe von 70,00 Euro zum Stichtag 01.08.2012 sowie in Höhe von 30,00 Euro zum Stichtag 01.02.2013 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in Höhe von 1/10 in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten eines von der Volkshochschule (VHS) L veranstalteten Vorbereitungskurses zum Erwerb des Realschulabschlusses im Zeitraum September 2012 bis Juli 2013 streitig.

Der am … 1992 im Irak geborene Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, bezog seit 2005 bis zur Erlangung der mittleren Reife im Februar 2014 mit kurzen Unterbrechungen wegen zu hohen Einkommens aus einer Nebenbeschäftigung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II; Änderungsbescheid vom 18.10.2012 ≪01.07. bis 31.10.2012 bzw. November 2012≫, Änderungsbescheid vom 07.12.2012 ≪November 2012≫; Bescheid vom 18.10.2012 ≪01.12.2012 bis 31.05.2012≫, Änderungsbescheid vom 20.12.2012 ≪01.02. bis 31.05.2013≫, Änderungsbescheide vom 19.03.2013 ≪01.02. bis 31.03.2013 bzw. 01.04. bis 31.05.2013≫, Änderungsbescheid vom 17.04.2013 ≪April 2013≫, Änderungsbescheid vom 18.04.2013 ≪Mai 2012≫; Bescheid vom 18.04.2013 ≪01.06. bis 30.11.2013≫, Änderungsbescheid vom 13.06.2013 ≪01.07. bis 30.11.2013≫, Änderungsbescheid vom 11.07.2013 ≪01.08. bis 30.11.2013≫, Änderungsbescheide vom 29.07.2013 ≪Mai bzw. Juni 2013≫, zuletzt Änderungsbescheide vom 18.11.2013 für September und Oktober 2013, Blatt 1595, Änderungsbescheid vom 04.03.2014 für November 2013, Änderungsbescheid vom 13.02.2014 für Januar 2014, Änderungsbescheid vom 10.03.2014 für Februar 2014). Im Dezember 2013 erfolgte wegen der Anrechnung von Einkommen keine Leistungsbewilligung.

Der Kläger schloss im Juli 2008 die Hauptschule mit dem Hauptschulabschluss ab. Sein Versuch, im Anschluss hieran durch Besuch der Berufsbildenden Schule mit der Fachrichtung Wirtschaft den Realschulabschluss zu erreichen, scheiterte trotz Wiederholung des zweiten Jahres; der Kläger erhielt zum 31.07.2011 lediglich ein Abgangszeugnis.

Bereits am 24.06.2011 besprach der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei seiner Arbeitsvermittlerin die Möglichkeiten, doch noch die mittlere Reife zu erreichen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde hiervon angesichts der zwei misslungenen Versuche abgeraten. Er wurde auch darauf hingewiesen, dass das Jobcenter keine Finanzierung einer privaten Schule übernehme. Ihm wurde stattdessen geraten, eine Ausbildungsstelle zu suchen. Im April 2012 meldete sich der Kläger schriftlich aus der Vermittlung ab, da er beabsichtige, den VHS-Vorbereitungskurs zu besuchen. Tatsächlich besuchte er erst ab dem 05.09.2012 den Tageslehrgang “Realschulabschluss„ der VHS L mit ca. 39 Wochenstunden. Eine entsprechende Bescheinigung der VHS L vom 05.09.2012 ging am 01.10.2012 bei der Leistungsabteilung ein.

Am 19.12.2012 ging eine weitere Bestätigung der Stadtverwaltung L vom 06.07.2012 über die Annahme der Bewerbung des Klägers um den Tageslehrgang Realschulabschluss 2012/2013 ein. Aus dieser Bestätigung ging hervor, dass eine Anmeldegebühr in Höhe von 310,00 Euro bis spätestens 21.08.2012 an die Kasse der VHS zu zahlen war. Weiterhin legte der Kläger Rechnungen der VHS vor, aus denen sich ergab, dass am 20.08.2012 ein Betrag in Höhe von 310,00 Euro und am 19.09.2012, 15.10.2012, 19.11.2012 und 17.12.2012 jeweils Raten in Höhe von 62,00 Euro auf die Gebühr für den Tageslehrgang Realschule (Gesamtkosten in Höhe von 930,00 Euro für ein Jahr) in bar gezahlt worden waren. Auf den Rechnungen war als Bankverbindung die Kontonummer des älteren Bruders des Klägers, Herr R G , angegeben. Beigef...

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