Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. VHS-Lehrgangskosten für einen Vorbereitungskurs zum Erwerb des Realschulabschlusses. Ablehnung der Gewährung von Leistungen für einen Mehrbedarf, zur Eingliederung oder für Bildung und Teilhabe
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Übernahme der Kosten eines VHS-Lehrgangs zur Vorbereitung auf die sog Nichtschüler-Prüfung (Prüfung zum Erwerb der Abschlüsse des Sekundarbereichs I durch Nichtschülerinnen und Nichtschüler (NAVO - SI) vom 4.6.1996 = Nds GVBl S 284).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. Dezember 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für einen Lehrgang zum Erwerb des Realschulabschlusses als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der im Januar 1996 geborene Kläger stand im streitbefangenen Zeitraum zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden minderjährigen Geschwistern im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II (vgl. für den Bewilligungszeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2014: Bescheide vom 17. Januar 2014 und 24. September 2014; Bewilligungszeitraum von August 2014 bis Januar 2015: Bescheide vom 22. Juli 2014, 24. September 2014 und 1. Oktober 2014). Er besuchte im Schuljahr 2011/2012 den 9. Schuljahrgang der Realschule H., welche er im Juli 2012 mit einem sog. Abgangszeugnis verließ. In diesem Zeugnis waren der Pflicht- sowie der Profilunterricht in drei Fächern mit “ungenügend„, in neun Fächern mit “mangelhaft„ und in zwei Fächern mit “ausreichend„ benotet worden. Lediglich das Pflichtfach Kunst war mit “befriedigend„ bewertet worden. Zum Arbeits- bzw. Sozialverhalten hieß es, dass der Kläger “deutlich zu wenig Leistungsbereitschaft, Mitarbeit und Verlässlichkeit„ erkennen lasse und “deutlich zu wenig Vereinbarungen und Regeln erkennbar eingehalten„ habe. Von den im Schuljahr 2011/2012 versäumten 39 Unterrichtstagen seien 11 unentschuldigt geblieben.
Von August 2012 bis Juli 2013 besuchte er die einjährige Berufseinstiegsklasse der I., die er mit einem Abschlusszeugnis (Hauptschulabschluss) verließ. Dort waren ein Fach mit “gut„, sieben Fächer mit “befriedigend„ und vier Fächer mit “ausreichend„ bewertet worden. Das Zeugnis wies 16 unentschuldigte Fehltage aus. Das Arbeits- und Sozialverhalten entsprach “den Erwartungen mit Einschränkungen„: Der Kläger hätte “bei beständiger Anwesenheit (…) bessere Arbeitsergebnisse„ erzielen können.
Für die Folgezeit weist der beim Beklagten gespeicherte Lebenslauf des Klägers Zeiten der Arbeitslosigkeit (vom 1. bis 18. August 2013 sowie 31. August 2013 bis 2. Februar 2014) und für die Zeit vom 19. bis 30. August 2013 eine Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung aus.
Von Februar 2014 bis Januar 2015 besuchte der Kläger den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Tageslehrgang “Realschulabschluss„ der Volkshochschule (VHS) J.. Nach der auf der Internet-Seite der VHS veröffentlichten Kursbeschreibung bereitet dieser Lehrgang darauf vor, den Sekundarabschluss I (Realschulabschluss) bzw. den erweiterten Sekundarabschluss I nachzuholen. Der Tageslehrgang dauert ca. 11 Monate und findet montags bis freitags von 8.00 bis 13.00 Uhr statt. Die Ferienzeiten der allgemein bildenden Schulen sind unterrichtsfrei. Es werden die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte, Sozialkunde, Biologie und Physik unterrichtet. Die Vorbereitung erfolgt für die Teilnahme an der sog. Nichtschüler-Prüfung (vgl. hierzu: Verordnung über die Prüfungen zum Erwerb der Abschlüsse des Sekundarbereichs I durch Nichtschülerinnen und Nichtschüler [NAVO - SI] vom 4. Juni 1996, Nds. GVBl. S. 284). Für den Besuch des Kurses waren 80,-- Euro pro Monat zu zahlen.
Während der Beklagte dem Kläger für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf für die Zeit ab 1. Februar 2014 einen Betrag von 30,-- Euro sowie für die Zeit ab 1. August 2014 einen Betrag von 70,-- Euro gewährte (Bescheide vom 16. Januar und 22. Juli 2014), lehnte er den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Antrag auf Übernahme der VHS-Lehrgangskosten i.H.v. 80,-- Euro pro Monat (Antrag vom 10. Juni 2014) mit der Begründung ab, dass kein Anspruch nach § 21 Abs 6 SGB II bestehe. Insoweit stellte der Beklagte zunächst klar, dass es sich bei dem Antrag auf Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 6 SGB II in der Sache um einen Antrag auf Überprüfung des aktuellen Bewilligungsbescheides vom 17. Januar 2014 handele (Bewilligungszeitraum: Februar bis Juli 2014). Über diesen Bewilligungsbescheid hinaus könnten jedoch keine Leistungen bewilligt werden. Der Kläger habe bereits den Hauptschulabschluss erreicht und seine Schulpflicht erfüllt. Er sei bei der Arbeitsvermittlung bzw. Berufsberatung gemeldet. Hieraus resultiere auch sein Anspruch auf Kindergeld. Da der Besuch der VHS mit dem Ziel des Realschulabschlusses nicht at...