Entscheidungsstichwort (Thema)
Mündliche Verhandlung trotz fehlenden Nachweises einer Landung. Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung an das Sozialgericht. Verfahrensfehler. Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ladung des Klägers mit einfachem Brief. mündliche Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits trotz Abwesenheit des Klägers
Leitsatz (amtlich)
Wird der Kläger zu einer mündlichen Verhandlung mit einfachem Brief ohne Nachweis des Zugangs geladen und erscheint nicht, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor, wenn dennoch verhandelt und der Rechtsstreit entschieden wird, wenn der Kläger nach seinen Angaben die Ladung nicht erhalten hat.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 14.01.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleich G nach dem Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Mit Bescheid vom 27.07.2004 stellte das Amt für soziale Angelegenheiten Trier bei dem im Jahr 1967 geborenen Kläger eine Behinderung mit einem GdB von 60 fest. Einen Neufeststellungsantrag des Klägers lehnte das Amt für soziale Angelegenheiten Trier mit Bescheid vom 15.08.2006 ab, da eine wesentliche Verschlimmerung nicht eingetreten sei. Auch der beantragte Nachteilsausgleich G sei nicht festzustellen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte unter Neubezeichnung der Behinderung zurück (Widerspruchsbescheid vom 07.05.2007).
Die hiergegen vor dem Sozialgericht Trier erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 14.01.2009 aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom gleichen Tag, zu welcher der Kläger mit einfachem Brief geladen worden war und an welcher der Kläger nicht teilgenommen hat, abgewiesen.
Am 20.02.2009 hat der Kläger gegen das ihm am 23.01.2009 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor,
er habe eine Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht erhalten.
Entgegen der Darstellung des Sozialgerichts stehe ihm ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB vor. Er sei nie richtig untersucht worden, leide unter Kniebeschwerden, schmerzenden Gelenken. Deshalb und wegen einer stark schmerzenden Ferse könne er kaum laufen. Wegen einer Wirbelsäulenversetzung leide er unter heftigsten Schmerzen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 14.01.2009 aufzuheben, den Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten Trier vom 15.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.05.2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seine Behinderung mit einem GdB von mehr als 60 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G festzustellen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Trier zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und nimmt zur Begründung Bezug auf das angefochtene Urteil.
Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten (Az.: … ) sowie der Prozessakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall.
Ein Verfahrensmangel liegt vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das gerichtliche Verfahren regelt. Der gerügte (und objektiv vorliegende) Mangel muss sich nicht auf den sachlichen Inhalt der Entscheidung, dh die Richtigkeit des angefochtenen Urteils beziehen, sondern auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil oder die Zulässigkeit des Urteils. Wesentlich ist ein Verfahrensmangel dann, wenn er möglicherweise nach der Rechtsauffassung des Sozialgerichts und dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht das Urteil beeinflusst hat, dh wenn das Urteil auf ihm beruhen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, Rdn 18; § 159 Rdn 3a).
Das Sozialgericht hat gegen § 62 SGG; Art. 103 GG (Grundsatz des rechtlichen Gehörs) verstoßen, denn es hat über die Klage mündlich verhandelt und entschieden, ohne den Kläger (ordnungsgemäß) zu laden, der an der mündlichen Verhandlung auch nicht teilgenommen hat. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu ...