Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 20.07.1976; Aktenzeichen S 11 U 37/76) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 20. Juli 1976 abgeändert:
Unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 1975 wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger aus Anlaß des Unfalls vom 7. April 1975 Entschädigungsleistungen zu gewähren.
2. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am … 1970 geborene Kläger, wohnhaft in A., M. Straße 46, besuchte im Jahre 1975 einen Kindergarten in L.. Die Unterbringung im Kindergarten dauerte von 8.00 bis 12.00 Uhr. Anschließend wurden die Kinder mit einem Bus nach Hause gefahren. Dar Kläger wurde en der in der M. Straße in A., etwa 100 Meter von der Wohnung der Eltern entfernten Bushaltestelle von meiner Mutter abgeholt. Am 7. April 1975 fuhr der Bus bereits tun 11.50 Uhr vom Kindergarten ab. Die Mutter des Klägers war hiervon nicht unterrichtet; daher war sie bei der Ankunft des Busses in A. noch nicht an der Haltestelle angekommen. Der Kläger ging daraufhin zusammen mit einem Nachbarkind, das denselben Kindergarten besuchte und – von der Haltestelle aus etwas weiter entfernt – in der M. Straße 45 wohnt, in Richtung auf sein Elternhaus weg. Gegen 12.10 Uhr wurde der Kläger auf der M. Straße von einem Pkw angefahren und erheblich verletzt. Die Unfallstelle lag zwischen dem Elternhaus und dem Wohnhaus des Nachbarkindes. Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18. Dezember 1975 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil der versicherte Heimweg für den Kläger an der Außenhaustür seiner Wohnung geendet und sich der Unfall auf einem unversicherten sogenannten Abweg ereignet habe. Der Umstand, daß der Kläger erst fünf Jahre alt gewesen seit ändere an der rechtlichen Beurteilung nichts, Auch Kindergartenkinder, Schüler und Studierende seien ebenso wie erwachsene Arbeitnehmer der Reichsversicherungsordnung (RVO) unterstellt, daher sei nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, bei einem Unfall auf einem „Abweg” ein Arbeitsunfall zu verneinen.
Das Sozialgericht Koblenz hat die hiergegen erhobene Klage durch Urteil vom 20. Juli 1976 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen.
Der Kläger hat gegen daß am 3. August 1976 zugestellte Urteil am 2. September 1976 Berufung eingelegt. Er trägt vor: Als fünfjähriges Kind könne er nicht nach den gleichen Rechtsgrundsätzen wie ein erwachsener Arbeitnehmer beurteilt werden. Ferner sei er nicht auf einem „Abweg” verunglückt, sondern auf dem Weg, den er üblicherweise mit seiner Mutter gehe und der zunächst die Wohnung des Nachbarkindes zum Ziele habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des angefochtenen Bescheids den Beklagten dem Gründe nach zu Entschädigungsleistungen aus Anlaß des Unfalles vom 7. April 1975 zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozeßakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Unfall des Klägers vom 7. April 1975 ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts als versicherter Wegeunfall im Sinne der §§ 548, 550 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen.
Nach der Neufassung des § 539 Abs. 1 Nr. 14 RVO durch das Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder In Kindergärten vom 18. März 1971 (BGBl. I. 237) Bind Kinder während das Besuchs von Kindergärten gegen Unfall versicherte Unfälle, die sich hierbei ereignen, sind den Arbeitsunfällen gleichgestellt. Das bedeutet, daß ein Entschädigungsanspruch nur dann besteht, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles vorliegen. Für den Unfall des Klägers trifft dies zu; er erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 550 RVO.
Nach dieser Bestimmung stehen Unfälle auf einem mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit ebenfalls unter Versicherungsschutz. Zutreffend hat das Sozialgericht dazu ausgeführt, daß nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Versicherungsschutz für den Heimweg von der Arbeit an der Außenhaustür des Wohngebäudes endet (BSG 22, 240), und daß ein sogenannter „Abweg” – hier der am Wohngebäude des Klägers vorbei – und wieder zurückführende Weg – nicht unter Versicherungsschutz steht (BSG in „Die Berufsgenossenschaft” 1958, 40). Das Sozialgericht hat jedoch verkannt, daß der zum Unfall führende „Abweg” des Klägers nicht diejenigen Merkmale aufweist, die die Rechtsprechung zur Verneinung des Versicherungsschutzes bei Arbeitnehmern veranlaßt. Denn ein derartiger den Heimweg unterbrechender „Abweg” wird bei einem Ar...