Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Rotatorenmanschettenruptur. Unfallfolge
Orientierungssatz
Nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung gibt es einen isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss nicht. In Frage kommt allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursächlichkeit bei bestehender Degeneration. Das Unfallereignis muss dabei zu einer Bewegung im Schultergelenk mit Zugbelastung der Rotatorenmanschette geführt haben, die diese zum Zerreißen bringen kann. In erster Linie sind hierfür Rotationsbewegungen, aber auch Abspreizbewegungen, geeignet.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Rotatorenmanschettenruptur als Folge eines Ereignisses vom August 1994 festzustellen und zu entschädigen ist.
Der Kläger ist 1947 geboren. Er war zum Unfallzeitpunkt bei der Firma I, R- und A, tätig. Diese Firma führte am Unfalltag Arbeiten in der Montage-Abteilung der B in L durch.
Am 08.08.1994 geriet der Kläger, als er einem Auto ausweichen wollte, auf dem Betriebsgelände der B in L mit dem Fahrrad in eine Eisenbahnschiene und stürzte auf den linken Arm.
Dr. E, Chirurg, stellte in seinem Durchgangsarztbericht vom 15.08.1994 eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit des linken Schultergelenkes fest. Das seitliche Anheben war dem Kläger nicht bis zur Waagerechten möglich. Auch die Ein- und Auswärtsdrehung waren stark eingeschränkt. Der Nackengriff war mühsam, der Schürzengriff nicht möglich. Radiologisch konnten keine frischen knöchernen Veränderungen bzw. wesentlichen degenerativen oder destruktiven Veränderungen festgestellt werden. Dr. E diagnostizierte eine schwere Schulterprellung links. Dr. W, Facharzt für Chirurgie, gab in einem Nachschaubericht vom 23.08.1994 an, es bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur links bei degenerativer Vorschädigung. Die Arthrosonographie habe einen kleinen Defekt der Supraspinatussehne gezeigt. Der Impingement-Test sei leicht positiv. Am 08.09.1994 wurde das linke Schultergelenk des Klägers durch Dr. P, Chirurg, arthroskopisch untersucht. Es zeigte sich eine weit fortgeschrittene Schädigung der Rotatorenmanschette links mit Ablösung der Subscapularissehne. Dr. P, Chirurg, führte in einem Bericht vom 27.12.1994 aus, diese Veränderungen hätten bereits vor dem Trauma am 08.08.1994 bestanden. Dem linksseitigen Schultertrauma an diesem Tag komme nur eine unwesentliche Bedeutung für die Rotatorenmanschettenruptur zu. Es sei von einer hochgradigen Vorschädigung auszugehen. Die histologische Untersuchung durch Prof. Dr. G zeigte vernarbtes Granulationsgewebe mit Residuen älterer Blutungen wie nach älterer Ruptur (Bericht des Prof. Dr. G vom 13.9.1994).
Nach Beiziehung entsprechender Vorerkrankungsverzeichnisse veranlaßte die Beklagte eine Begutachtung bei Prof. Dr. W, Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L/R, vom 08.08.1995. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, bereits zum Unfallzeitpunkt habe ein schwerer degenerativer Schaden der Rotatorenmanschette vorgelegen. Dem Trauma könne, falls es überhaupt anläßlich des Sturzes zu dem Riss der Manschette gekommen sei, nur die Bedeutung einer nicht wesentlichen Teilursache beigemessen werden.
Mit Schreiben vom 28.09.1995 gab der Kläger an, er sei seitlich auf den ausgestreckten linken Arm gefallen.
Unter Berücksichtigung dieser Angaben stellte Dr. K in einer fachärztlichen Stellungnahme vom 14.12.1995 fest, der von dem Kläger angegebene Bewegungsablauf führe zu einer Stabilisierung des Schultergelenkes, in dem sich das Schulterblatt am Rumpf so verschiebe, daß der Gelenkschluß erhalten bleibe. Die axiale Krafteinwirkung über den Humerus auf die Schulter könne zwar zu einer Meiselfraktur des Glenoides, zur Schlüsselbeinfraktur oder Schultereckgelenksverletzung führen, nicht jedoch zu einer Verletzung der Rotatorenmanschette. Nur bei einem fixierten Schultergürtel sei eine Kraftübertragung auf die Rotatorenmanschette möglich. Anders sei der Fall zu beurteilen, wenn die Rotatorenmanschette bereits defekt sei. In diesem Fall werde bei Innervation der Schultermuskulatur der Oberarmkopf nicht in der Pfanne zentriert und das momentane Bewegungszentrum stimme nicht mehr mit dem anatomischen Gelenkmittelpunkt überein, so dass der subluxierte Humeruskopf die Rotatorenmanschette fehl belaste. In diesem Fall sei jedoch die Vorschädigung die allein wesentliche Ursache für die Ruptur der Rotatorenmanschette.
Mit Bescheid vom 26.01.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da der Arbeitsunfall vom 08.08.1994 lediglich zu einer folgenlos ausgeheilten Prellung des linken Schultergelenkes mit einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 23.09.1994 geführt habe.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.1996 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren ist auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten bei Prof. Dr. H, Chefarzt der O Klinik der St. E-Klinik S, vom 18.12.1996 eingeholt worden. Der Sachverständige hat dargelegt, ...