Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. elektronischer Rechtsverkehr. elektronische Einreichung eines Dokuments mittels Dateiformat ".docx". keine formwirksame Berufungseinlegung. Vorgabe des Dateiformats PDF. keine Herstellung der Formwirksamkeit durch Ausdruck des Dokuments. effektiver Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Ein an das Landessozialgericht elektronisch übermitteltes Dokument im Dateiformat "docx" ist nicht im Sinn des § 65a Abs 2 S 1 SGG iVm § 2 Abs 1 S 1 ERVV für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, weil es nicht im Dateiformat PDF übermittelt worden ist.
2. Die Vorgabe des Dateiformats PDF beschränkt sich nicht - wie die Durchsuch- oder Kopierbarkeit einer Datei - auf die Benutzerfreundlichkeit bei der Weiterbearbeitung durch das Gericht, sondern dient der Datenauthentizität und sichert im angemessenen Verhältnis die Beweiskraft des nach § 298 ZPO erstellten Ausdrucks. Die Vorgabe dient zudem der Rechtssicherheit.
3. Die Formwirksamkeit kann nicht durch einen Ausdruck des Dokuments im Dateiformat .docx hergestellt werden, weil dadurch die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente in § 65 d SGG umgangen würde.
4. Auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Art 19 Abs 4 GG führt bei nicht führenden elektronischen Akten zu keiner anderen Auslegung von § 65a Abs 2 SGG unter Nichtanwendung von § 2 Abs 1 S 1 ERVV.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 4. Januar 2022 wird verworfen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf 44.317,44 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aus einer Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017.
Der Kläger war Inhaber der Firma „S “ unter der Adresse R strasse in W, die im Bereich Beton- und Estrichglätten Arbeiten ausführte. Das Gewerbe meldete er zum 06.02.2014 an und zum 30.04.2017 ab.
Nach der Auskunft des früheren Steuerberaters, dass dort keine Unterlagen mehr vorhanden seien, weil diese teilweise von der Steuerfahndung mitgenommen worden seien und der Kläger die laufende Buchhaltung ausgehändigt bekommen habe, forderte die Beklagte im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) mit Schreiben vom 17.04.2018 diverse Unterlagen an. Hierzu gehörten u.a. die Lohn- und Gehaltskonten aller Arbeitnehmer einschließlich der zur Aushilfe Beschäftigten, monatliche Brutto- und Nettoabrechnungen, Beitragsabrechnungen und Beitragsnachweise oder sonstige Unterlagen, die Aufschluss über das Arbeitsentgelt und Sonderzuwendungen geben würden.
Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 30.08.2018 setzte die Beklagte den Termin zur Durchführung der Betriebsprüfung auf den 14.09.2019, in den Geschäftsräumen des Klägers, K Platz in W um 08:45 Uhr fest. Dem Kläger werde aufgegeben, die Durchführung dieser Betriebsprüfung durch den Außendienstmitarbeiter zu ermöglichen und zu dulden. Bis dahin habe der Kläger auch die Möglichkeit, die zur Betriebsprüfung erforderlichen Unterlagen einzusenden oder persönlich vorzulegen. Dem Kläger werde auch noch aufgegeben, die Geschäftsbücher, Listen oder andere Unterlagen vorzulegen, aus denen die Angaben über die Beschäftigung hervorgingen. Der Kläger werde gebeten, die zur Durchführung der Prüfung erforderlichen Geschäftsbücher und -unterlagen für den Prüfzeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 zur Einsicht bereit zu halten. Hierzu benannte die Beklagte erneut die erforderlichen Unterlagen. Soweit sich die entsprechenden Unterlagen nicht in seinem Besitz befänden, werde gebeten, diese rechtzeitig anzufordern, damit ein ordnungsgemäßer Ablauf der Prüfung sichergestellt sei. Dem Kläger wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 7.000,00 Euro angedroht, sofern er den getroffenen Anordnungen nicht nachkomme. Der Bescheid wurde dem Kläger am 31.08.2018 zugestellt.
Am 14.09.2018 wurden zum Prüfungstermin vor Ort die Ehefrau des Klägers und dessen Kinder angetroffen. Sie gab an, dass die Unterlagen im vergangenen Jahr vom Finanzamt mitgenommen worden seien.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Steuerfahndung des Finanzamtes M am 17.09.2018 mit, dass am 21.03.2017 Unterlagen bis zum Jahr 2015 beschlagnahmt worden seien. Hierunter befand sich ein PC, ein Laptop, vier Ordner und sechs Umschläge. Das Sicherstellungsverzeichnis liegt auf Blatt 21 der Verwaltungsakte der Beklagten vor. Lohnunterlagen sind darin nicht angeführt.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.08.2018 begründete der Kläger u.a. damit, keine Geschäftsunterlagen vorlegen zu können, vor allem nicht für Mai bis Dezember 2017, da das Finanzamt die gesamten Unterlagen mitgenommen habe.
Die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Mainz vom 07.11.2016 am 21.03.2017 durch Beamte der Steuerfahndung des Finanzamtes M beschlagnahmten U...