Leitsatz (amtlich)
Beiträge, die ein Handwerker für die Zeit seines militärischen Dienstes und der Kriegsgefangenschaft auf Anforderung des Rentenversicherungsträgers nachträglich entrichtet hat, sind Pflichtbeiträge (und keine Höherversicherungsbeiträge), wenn die Eintragung in der Handwerksrolle nicht gelöscht war und eine für Pflichtbeiträge vorgesehene Beitragsklasse gewählt wurde; eine Ersatzzeit kann nicht angerechnet werden.
Normenkette
HVG § 1 Ab. 1; HVG § 1 Ab. 2; 1. DVO zum HVG § 9 Abs. 3; HwVG § 3 Abs. 3; RVO § 1251; ArVNG Art. 2 § 15 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 23.08.1974; Aktenzeichen S 9 J 271/73) |
Tenor
1. Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 23. August 1974 wird aufgehoben; die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 1973 wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Bei dem Streit über die Höhe des Altersruhegeldes des Klägers geht es darum, ob eine Ersatzzeit vom 13. Juni 1940 bis 29. August 1945 zu berücksichtigen und die für diese Zeit nachträglich entrichteten Beiträge als Höherversicherungsbeiträge anzurechnen sind.
Der 1908 geborene Kläger, der vor 1939 (in der Zeit zwischen 1923 und 1933) 346 Wochenbeiträge zur Invalidenversicherung entrichtet hatte, war seit Juni 1934 als Kürschnermeister zum selbständigen Betrieb des Kürschnerhandwerks und als Mützenmacher in die Handwerksrolle eingetragen.
Am 13. Juni 1940 meldete er den Betrieb gewerbepolizeilich wieder ab; eine Löschung in der Handwerksrolle erfolgte nicht, der Betrieb wurde lediglich „ruhend gestellt”.
Am selben Tag – 13. Juni 1940 – wurde der Kläger zur Wehrmacht eingezogen. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft bis 29. August 1945 meldete er, nachdem er als Arbeitnehmer (Kürschner) tätig gewesen war, im Mai 1946 seinen Kürschnerbetrieb wieder an.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1952 forderte die Beklagte vom Kläger „rückständige Pflichtbeiträge” nach dem Handwerkerversorgungsgesetz vom 21. Dezember 1938 (HVG) für die Zeit von 1. Januar 1939 bis 30. September 1952.
Nach der Bescheinigung über eingegangene Rückstände vom 6. Januar 1955 leistete der Kläger, wie im Bescheid vom 14. Oktober 1952 gefordert, u.a. für die Zeit vom 1. Januar 1939 bis 30. Juni 1940 18 Monatsbeiträge der Beitragsklasse D und vom 1. Juli 1940 bis 31. August 1945 62 Monatsbeiträge der Klasse B.
Aus der am 15. September 1952 für die Angestelltenversicherung ausgestellten Versicherungskarte Nr. 1. den Bescheid vom 14. Oktober 1952 sowie der Bescheinigung über eingegangene Rückstände vom 6. Januar 1955 ergibt sich, daß der Kläger aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages in der Zeit vom 1. Januar 1939 bis 31. Dezember 1947 Halbversicherter war und daß ab 1. Januar 1948 Vollversicherung bestand.
Mit Bescheid vom 27. Februar 1973 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersruhegeld ab 1. April 1973. Bei der Berechnung der Rente berücksichtigte sie die Zeit vom 13. Juni 1940 bis 29. August 1945, in der der Kläger Kriegsdienst leistete, nicht als Ersatzzeit, sondern rechnete für diese Zeit Pflichtbeiträge an.
Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht: Die Zeit des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft sei als Ersatzzeit anzuerkennen und die für diese Zeit entrichteten Beiträge seien als Höherversicherungsbeiträge anzuerkennen. Ein Vertreter der Beklagten habe ihm 1952 geraten, nachträglich für die Dauer des Kriegsdienstes Beiträge zu entrichten, da dann diese Zeit als Ersatzzeit angerechnet und die Beiträge als Beiträge zur Höherversicherung bewertet würden. Allein weil sein damals gewerbepolizeilich abgemeldeter Kürschnerbetrieb aufgrund eines Runderlasses des Reichswirtschaftsministers nicht auch in der Handwerksrolle gelöscht worden sei, könne die Beklagte die entrichteten Beiträge nunmehr nicht als Pflichtbeiträge bewerten. Er habe die Beiträge nicht während der Kriegszeit, sondern erst später entrichtet. Außerdem habe er darauf vertrauen können, daß die von der Beklagten erteilte Beratung richtig gewesen sei. Das Landes Sozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz habe in eines vergleichbaren Fall – im Verfahren L 6 J 134/73 mit Urteil vom 22. Februar 1974 – entschieden, daß bei einem vollversicherten Handwerker, der für die Dauer des Kriegsdienstes Beiträge der Klasse A nachträglich entrichtet habe, solche Beiträge keine Pflicht-, sondern Höher Versicherungsbeiträge seien. An Pflichtbeiträgen habe damals ein vollversicherter Handwerker nur Beiträge der Klasse C entrichten können. Wie das LSG die geleisteten Beiträge der Klasse A als freiwillige Beiträge angesehen habe, so müsse das auch für die von ihm geleisteten Beiträge der Klasse B und D gelten. Dagegen treffe das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. September 1968 (SozR Nr. 2 zu § 3 HwVG) auf seinen Fall nicht zu, weil es sich dort auch der Art der entrichteten Beiträge nach um Pflichtbeiträge gehandelt, habe.
In der vom Kläger überreichten Bestätigung de...