Orientierungssatz

1. Zur Feststellung einer asbestinduzierten Berufskrankheit ist nach wie vor das Vorliegen einer Asbestose, wenigstens im Sinne einer Minimalasbestose, erforderlich. Ein isolierter Lungenkrebs ist deshalb selbst bei intensiver Asbeststaubexposition nach geltendem Recht nicht als Berufskrankheit anzuerkennen (vgl BSG vom 6.4.1989 - 2 RU 55/88 = HV-INFO 1989, 1177 -1182).

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 09.05.1988; Aktenzeichen S 6 U 26/87)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 9.5.1988 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Klägerin ist die Witwe des im Jahre 1935 geborenen Versicherten H., B., der am 29.6.1985 an den Folgen eines Bronchialkarzinoms mit Hirnmetastasen verstorben ist.

Der Versicherte war von 1950 bis 1971 als Steinzeugdreher in der Keramikfabrik M. & R. in H.-G. beschäftigt. Nach der Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes in M. vom 30.11.1970 war der Versicherte für derartige staubexponierte Arbeiten nicht mehr tauglich. Unter Einschaltung des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten (TAD) erfolgte 1971 eine Umsetzung an einen staubungefährlichen Arbeitsplatz in der Formengießerei für Gips.

Der Lungenfacharzt Dr. We. M., erstattete am 7.5.1974 eine ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer Silikose als Berufskrankheit. In seinem lungenfachärztlichen Gutachten vom 5.9.1974 beschreibt der Sachverständige eine Silikose 1. bis eher 2. Grades ohne cardiale und respiratorische Störungen. Mit Bescheid vom 10.12.1974 lehnte die Beklagte daraufhin eine Entschädigung ab, da keine Berufskrankheit nach Nr. 34 oder 35 der Anl 1 zur (7.) Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorliege. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Versicherten zurückgenommen.

Nach stationärer Behandlung vom 8.1.1976 bis 12.2.1976 in der Klinik für Berufskrankheiten Bad R. erstattete deren Chefarzt Dr. K. im Auftrag der Beklagten ein internistisches Gutachten vom 9.4.1976. Danach liege beim Versicherten eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit nicht vor. Die bestehende Silikose bedinge keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

Im Entlassungsbericht der Klinik für Berufskrankheiten vom 2.2.1984 wird erneut das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit nach Nr. 4101 der BKVO abgelehnt. Wegen der jetzt festgestellten Hilusverbreiterung rechts sei aber eine weitere invasive Diagnostik erforderlich. Diese erfolgte daraufhin im B.krankenhaus K. Dabei wurde ein nichtverhornendes Plattenepithelkarzinom festgestellt, welches durch rechtsseitige Thorakotomie mit Lobektomie therapiert wurde. Bei der histologischen Untersuchung fanden sich Silikosegranulome ohne Anhalt für Malignität und das Lungenkarzinom, das zahlreiche Silikosegranulome miterfaßte.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. K. am 15.10.1984 ein Gutachten nach Aktenlage, in welchem er ein Zusammenhang zwischen Silikose und Bronchialkarzinom ablehnte. Auf den Röntgenaufnahmen sei deutlich zu erkennen, daß am späteren Ausgangspunkt des Bronchialkarzinoms keine silikotische Schwielenbildung oder Zerfallshöhle bestanden habe.

Im Januar 1985 beantragte der Versicherte die Feststellung einer Berufskrankheit und die Zahlung von Verletztenrente, was die Beklagte mit Bescheid vom 25.1.1985 ablehnte. Während des Widerspruchsverfahrens verstarb der Versicherte am 29.6.1985.

Der Pathologe Dr. de L. teilte in seinem Gutachten vom 4.10.1985 mit, daß der Tod des Versicherten auf ein zentrales Herz-Kreislauf-Versagen bei ausgedehnten Hirnmetastasen zurückzuführen sei. Zur Frage eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Silikose und Bronchialkarzinom sei den Ausführungen von Dr. K. voll zuzustimmen. Auch die histologischen Untersuchungen hätten ergeben, daß silikotische Knötchen nicht in direkter Berührung mit dem Tumor gestanden hätten. Der im Jahre 1984 operativ entfernte Tumor habe auch kein Narbengewebe enthalten. Die festgestellte Silikose 1. bis 2. Grades habe keine wesentlichen Beeinträchtigungen verursacht. Eine Berufskrankheit habe nicht vorgelegen. Die Lebensdauer des Versicherten sei dadurch auch nicht mindestens um ein Jahr verkürzt worden.

Mit Bescheid vom 28.10.1985 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Witwenrente, Überbrückungshilfe und Sterbegeld ab, da der Tod des Versicherten nicht infolge einer Berufskrankheit eingetreten sei.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, etwa seit 1976/77 habe der Versicherte bei der Arbeit ständig Asbestosepulver (Sylodex 24) einatmen müssen.

Die Beklagte führte sodann weitere Ermittlungen durch: Nach Auskunft der Herstellerfirma G. GmbH, W., vom 28.5.1986 habe die Firma M. & R. zwischen 1977 und 1979 20 kg chrysotilasbesthaltiges Sylodex 24-Pulver bezogen. Auf Veranlassung der Beklagte erstattete sodann der Direktor des Path...

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