Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Kapitallebensversicherung. Befreiung von Versicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung. keine Rechtsanalogie. Verfassungswidrigkeit der Privilegierung. kein Verwertungsausschluss nach § 165 VVG. Anschaffungsbetrag für beruflich genutzten Pkw. besondere Härte
Orientierungssatz
1. Die Privilegierungsvorschrift des § 12 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 ist weder direkt noch analog auf Personen anwendbar, die als selbstständige Erwerbstätige von vornherein der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unterliegen.
2. Die Privilegierung derjenigen Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, stößt unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes auf verfassungsrechtliche Bedenken.
3. Deshalb kommt - in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf § 1 Abs 3 Nr 4 AlhiV 2002 zur Privilegierung der Personengruppe der von der Versicherungspflicht Befreiten nach § 231 SGB 6 gegenüber Arbeitslosen, die ebenfalls in der Vergangenheit aus anderen Gründen keine Rentenanwartschaft begründet haben - eine Anwendung der allgemeinen Härteklausel des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 auch bei Personen in Betracht, die mit ihrer selbstständigen Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlagen und daher Versorgungslücken aufweisen (vgl BSG vom 9.12.2004 - B 7 AL 30/04 R = SozR 4-4300 § 193 Nr 2).
4. Jedoch ist an der früheren Rechtsprechung des BSG (vgl BSG, aaO), die bei Lebensversicherungen keine besondere, vor Eintritt des Ruhestandes nur unter erschwerten Voraussetzungen und Verlusten kündbare Anlageform verlangte, sondern lediglich voraussetzte, dass das Vertragsende in etwa mit dem möglichen Eintritt in das Rentenalter zusammentrifft, unter der Geltung des SGB 2 nicht festzuhalten.
5. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine alleinige Bestimmung des Vermögens zur Altersvorsorge gerade nicht besteht, wenn der Betroffene von den gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten zur Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses keinen Gebrauch gemacht hat, um weiterhin jederzeit über seine Lebensversicherung verfügen zu können.
6. Die Nichtberücksichtigung eines Teils des Vermögens, der zum Ankauf eines Pkw, der zur Aufrechterhaltung der selbstständigen Tätigkeit dienen soll, bestimmt sein soll, kommt mangels vergleichbarer Regelung zum § 90 Abs 2 Nr 5 SGB 12 im SGB 2 nicht in Betracht. Eine Berücksichtigung kann allenfalls über die Härteklausel in § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 erfolgen.
Nachgehend
Tenor
1. |
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Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 24.11.2006 wird zurückgewiesen. |
2. |
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Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. |
3. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Arbeitslosengeld II - für die Zeit ab dem 01.01.2006 hat; streitig ist insbesondere die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin wegen des Vorhandenseins von Vermögen in der Form von Lebensversicherungen.
Die ... 1950 geborene Klägerin war zuletzt im September 1977 versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem übte sie eine selbstständige Tätigkeit aus. Freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden von ihr nicht entrichtet. Die Klägerin war von 1972 bis 1982 und von 1988 bis 1997 verheiratet. Beide Ehen wurden geschieden. Ein Versorgungsausgleich wurde lediglich nach der Scheidung der ersten Ehe durchgeführt. Bei der zweiten Scheidung verzichteten die Eheleute gegenseitig auf jeden Anspruch. Nach einer Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15.02.2006 hatte die Klägerin nach der damaligen Rechtslage aufgrund ihres Versicherungsverlaufs und unter Berücksichtigung des nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann durchgeführten Versorgungsausgleichs eine Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von 257,10 € monatlich zu erwarten.
Die Klägerin betrieb zuletzt ein Fachgeschäft für Tierbedarfsartikel. Zu diesem Zweck hatte sie in der ... Straße Nr. ... in M drei Räume mit Küche und Bad, insgesamt 81,59 qm, angemietet, die sie neben der Verkaufsfläche für Tierbedarf auch als Wohnung nutzte. Die Miete belief sich auf 475,33 € zuzüglich Nebenkosten; die Gesamtmiete betrug 670,06 €. Zum 01.01.2006 gab die Klägerin ihr Geschäft mit Kaufvertrag vom 30.09.2005 an eine Nachfolgerin weiter. Der Verkaufserlös für das Geschäft einschließlich Warenbestand und Inventar betrug 20.402,53 €. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte in zwei Raten in Höhe von 10.000,00 € am 29.12.2005 und in Höhe des Restbetrages am 15.01.2006.
Trotz der Abgabe des Geschäfts nutzte die Klägerin zunächst weiterhin die Wohnräume. Für die Nutzung der Gewerberäume erstattete...