Leitsatz (amtlich)
Der Ausschluß des Familienkrankenhilfeanspruchs für unterhaltsberechtigte Kinder bei bestimmten Einkommensverhältnissen des Versicherten und seines mit den Kindern verwandten Ehegatten ist nicht verfassungswidrig.
Verfahrensgang
SG Mainz (Urteil vom 28.02.1980; Aktenzeichen S 2 K 18/79) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Februar 1980 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Ausschluß des Familienkrankenhilfeanspruchs für Kinder bei bestimmten Einkommensverhältnissen des Versicherten und seines Ehegatten nach § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO in der Fassung des ab 1. Juli 1977 geltenden Krankenversicherungskostendämpfungsgesetzes (KVKG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht.
Die Klägerin ist seit April 1964 bei der Beklagten krankenversichert. Der Familienkrankenhilfeanspruch für ihre Kinder endete mit dem Inkrafttreten des KVKG, weil nach den Feststellungen der Beklagten der als selbständiger Rechtsanwalt tätige Ehemann der Klägerin nicht Mitglied bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat 1/12 der Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen der Klägerin ist (§ 205 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine selbständige freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten besteht für die Kinder Julia (geb. … 1973) und Sebastian (geb. … 1975) ab 1. Juli 1977 und für das Kind Sophie-Charlotte ab der Geburt am … 1977 (§ 176 b Abs. 1 Nr. 2 RVO).
Auf die Beanstandung der Klägerin, § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO sei verfassungswidrig, stellte die Beklagte durch Bescheid vom 22. Mai 1979 fest, ein Familienkrankenhilfeanspruch bestehe wegen der Einkommensverhältnisse der Klägerin und ihres Ehemannes für die Kinder nicht, ob die Neuregelung verfassungswidrig sei, könne nicht beurteilt werden. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1979 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin den mit ihrem Widerspruch erhobenen Einwand wiederholt, § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO verstoße gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG verbürgten Schutz von Ehe und Familie, weil der Familienkrankenhilfeanspruch für ihre Kinder weiterhin bestehen würde, wenn sie nicht verheiratet wäre.
Das Sozialgericht Mainz hat die Klage durch Urteil vom 28. Februar 1980 abgewiesen. Es hat eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG und auch von Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) verneint.
Gegen das am 12. März 1980 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. März 1980 die Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Die bestehende Ehe sei der einzige Anknüpfungspunkt für die in § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO normierte nachteilige Rechtsfolge. Diese trete in allen Fällen nicht ein, in denen keine Ehe geschlossen sei und dennoch eine Lebensgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern bestehe. Durch die gesetzliche Regelung würden also Verheiratete benachteiligt, was sachlich nicht gerechtfertigt sei. Diese Benachteiligung stelle zugleich einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung mit Unverheirateten dar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 26. Februar 1980 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 1979 aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte ihr Familienkrankenhilfe auch ab 1. Juli 1977 für die Kinder Julia und Sebastian und ab … 1977 für das Kind Sophie-Charlotte zu gewähren hat,
hilfsweise, den Rechtsstreit auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage vorzulegen, ob § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO in der Fassung des KVKG mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Begehren auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs auf Familienkrankenhilfe nach § 205 Abs. 1 RVO ist zulässig (BSGE 11, 198). Es ist aber nicht gerechtfertigt.
Obwohl die Kinder der Klägerin ab des streitigen Zeitpunkt jeweils selbständig bei der Beklagten versichert sind, ist nicht schon dadurch ein Familienkrankenhilfeanspruch nach § 205 Abs. 1 RVO (anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege) ausgeschlossen. Die Kinder der Klägerin sind nur deshalb Mitglied der Beklagten geworden, weil diese eine weitere Familienkrankenhilfe abgelehnt hatte und deshalb vorsorglich eine Absicherung der Kinder gegen Krankheitskosten notwendig war. Der Streit über das Fortbestehen eines Familienkrankenhilfeanspruchs wird daher durch die eigene Krankenversicherung der Kinder nicht berührt.
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