Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Verletztenrente aus der Unfallversicherung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB 7) ist in voller Höhe als Einkommen gemäß § 11 SGB 2 zu berücksichtigen.
2. Sowohl die direkte als auch eine analoge Anwendung der Regelungen über die nicht als Einkommen anzusehenden Leistungen in § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 scheidet aus. Die Verletztenrente ist auch keine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 SGB 2.
3. Die unterschiedliche Behandlung der Verletztenrente und der in § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 genannten Renten ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Berechnung der dem Kläger gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die ihm bewilligte Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu berücksichtigen ist.
Der 1954 geborene Kläger bezieht wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls von der Bau-Berufsgenossenschaft F eine Rente auf unbestimmte Zeit in Höhe von monatlich 230,23 €.
Am 27.09.2004 beantragte er die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 08.12.2004, geändert durch Bescheid vom 17.03.2005, gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 in Höhe von monatlich 648,02 €. Dabei berücksichtigte sie als Einkommen die dem Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlte Rente.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 21.03.2005 zurück.
Das Sozialgericht Koblenz hat die dagegen erhobene Klage durch Urteil vom 30.11.2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Verletztenrente sei gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Es sei nicht zu beanstanden, dass die in § 11 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB II genannten Versorgungsleistungen anders behandelt würden als Leistungen der Sozialversicherung.
Gegen das ihm am 23.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.01.2006 Berufung eingelegt.
Er macht geltend, nach § 11 Nr. 2 der Arbeitslosenhilfeverordnung vom 07.08.1974 sei die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe des Betrages, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente gewährt werde, bei der Bedürftigkeitsprüfung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht zu berücksichtigen. Arbeitslosenhilfe sei somit ohne Anrechnung der Verletztenrente in Höhe des Betrages, der der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz entsprochen habe, bewilligt worden. Insoweit handele es sich bei der Verletztenrente um ein privilegiertes Einkommen. Dies gelte auch weiterhin. Die Verletztenrente nach § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) werde auf Grund öffentlich rechtlicher Vorschriften gewährt. Sie diene dem Ausgleich eines immateriellen Schadens und entspreche somit Sinn und Zweck der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, die eine Entschädigung für die Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit darstelle und die Mehraufwendungen ausgleichen solle, die der Beschäftigte infolge der Schädigung gegenüber gesunden Menschen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30.11.2005 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 08.12.2004 und 17.03.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2005 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen der Grundsicherung ohne Berücksichtigung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II. Die Beklagte hat zu Recht bei der Berechnung der Leistungen die dem Kläger gewährte Rente nach der gesetzlichen Unfallversicherung in voller Höhe berücksichtigt.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der ver...