nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Ruhen. Sperrzeit bei Verwirklichung der negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit. wichtiger Grund. Güterabwägung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Aufgabe des Arbeitsplatzes zur Verwirklichung der negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit nach Art 4 Abs 1 GG ist nur dann durch einen wichtigen Grund iS des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 (ab 1.1.2005 § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3) gerechtfertigt, wenn die Güterabwägung dazu führt, dass das Interesse an der Verwirklichung einer negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit schwerer wiegt als die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.12.2006; Aktenzeichen B 11a AL 95/06 B)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.03.2005 - S 13 AL 545/03 - aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer 12-wöchigen Sperrzeit.

Die 1958 geborene, verheiratete Klägerin war vom 01.01.1992 bis zum 30.06.2003 als "Hausangestellte im klinischen Wirtschaftsdienst" im S -Krankenhaus, Z , beschäftigt. Träger des S -Krankenhauses ist der "A. D. J. C. e.V.", der dem Deutschen Caritas-Verband angeschlossen ist. Seine Einrichtung dient "der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe".

Nach § 2 des am 16.12.1991 abgeschlossenen Dienstvertrages galten hierfür die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Nach Art. 4 Abs. 1 der AVR wird von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet, dass sie Grundsätze der katholischen Kirche und Sittenlehre anerkennen und beachten. Nach Art. 5 Abs. 5 AVR können Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, nicht weiterbeschäftigt werden.

Mit Wirkung zum 17.01.2003 trat die Klägerin aus der Kirche aus. Hiervon erfuhr ihr ehemaliger Arbeitgeber am 23.01.2003 durch die Vorlage der Lohnsteuerkarte. Die Klägerin wurde an diesem Tag auf die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen ihres Kirchenaustritts hingewiesen und es wurde ihr die Möglichkeit eingeräumt, den Austritt rückgängig zu machen. Am nächsten Tag teilte die Klägerin ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit, dass sie bei ihrer Entscheidung bleibe. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 27.01.2003 mit sofortiger Wirkung. Die Mitarbeitervertretung hatte der außerordentlichen Kündigung zugestimmt. Zur Begründung für die Kündigung wies der Arbeitgeber auf Art. 5 der AVR sowie die Weigerung der Klägerin hin, ihren Austritt aus der katholischen Kirche rückgängig zu machen.

Gegen die Kündigung hatte die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az.: ) erhoben. In der Güteverhandlung vom 11.03.2003 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sie sich darüber einig waren, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung auf ausschließlich personenbedingten Gründen und in Wahrung der maßgeblichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2003 seine Beendigung findet.

Nach Arbeitslosmeldung der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2003 für die Zeit vom 01.07.2003 bis zum 22.09.2003 eine 12-wöchige Sperrzeit und das Ruhen des Leistungsanspruchs während dieses Zeitraums fest. Die Klägerin habe gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und dadurch ihre anschließende Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Ab dem 23.09.2003 gewährte sie der Klägerin Arbeitslosengeld (Alg).

Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat mit Urteil vom 24.03.2005 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld bereits ab dem 01.07.2003 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen wichtigen Grund für ihr Verhalten hatte. Sie habe nämlich durch ihren Austritt aus der katholischen Kirche von ihrer in Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingeräumten negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit Gebrauch gemacht. In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin glaubhaft erklärt, sich nach jahrelangem Bibelstudium von der katholischen Doktrin entfernt zu haben, bis es schließlich mit ihrem Glauben nicht mehr vereinbar gewesen sei, weiterhin in der katholischen Kirche zu bleiben.

Gegen das ihr am 13.06.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.07.2005 Berufung eingelegt.

Sie trägt im Wesentlichen vor:

Die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig. Zu Recht habe sie den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit festgestellt. Die Klägerin könne sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit einer kirchlich geprägten Einrichtung habe sich die Klägerin den darin enthaltenen Regelungen, die üblicherweise auch be...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge