Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestandsschutz. Eigentumsgarantie. Verwirkung. Ermessensfehlgebrauch. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der teilweise Widerruf der Beteiligung eines Chefarztes an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung, der sich auf eine innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Neufassung von ZOÄ § 29 Abs. 5 von 1978-07-24 stützt, wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die seit 18 Jahren bestehende und aus Altersgründen ohnehin in 6 Jahren auslaufende Beteiligung wegen Wegfalls des Bedürfnisses möglicherweise bereits früher hätte widerrufen werden können.

 

Normenkette

RVO § 368 a Abs. 8 Fassung: 1979-06-27; ZOÄ § 29 Fassung: 1978-08-24

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 19.08.1981; Aktenzeichen S 2 Ka 87/80)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.09.1983; Aktenzeichen 6 RKa 26/82)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 19. August 1981 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung streiten die Beteiligten weiter über den teilweisen Widerruf der Beteiligung des Klägers an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der inneren Medizin.

Der 1921 geborene Kläger war nach dem medizinischen Staatsexamen im April 1948, der endgültigen Approbation im Juni 1949, der Facharztanerkennung im Oktober 1954 und der Habilitation im Dezember 1959 noch bis 31. Dezember 1962 wissenschaftlicher Assistent bzw. Oberarzt der Medizinischen Universitätsklinik G. Seit dem 1. Januar 1963 ist er Chefarzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses E. S. in K. wo er von April 1956 bis Mai 1957 bereits einmal als Oberarzt gearbeitet hatte. Das Schwergewicht seiner wissenschaftlichen Tätigkeit lag in Problemen der Endokrinologie des Stoffwechsels sowie der Leber- und Nierenpathologie. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen sind in zwei Monographien und zahlreichen Fachaufsätzen veröffentlicht. Seit 1966 war er Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität G.. Seit 1978 hat er einen Lehrauftrag der Universität M..

Mit Beschluß des Zulassungsausschusses für Ärzte für die Regierungsbezirke K. und M. vom 24. November 1962 wurde der Kläger für die Dauer seiner o.a. Chefarzttätigkeit ohne besondere Einschränkungen gemäß §§ 368 a der Reichsversicherungsordnung (KVO), 29 der Zulassungsordnung für Ärzte (ZOÄ) an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung beteiligt. Im Februar 1900 überprüfte der Zulassungsausschuß im Hinblick auf die inzwischen stark erhöhte Zahl von niedergelassenen Internisten in K. und die Neufassung des § 29 Abs. 5 ZOÄ vom 24. Juli 1978, welche besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des Klägers von den niedergelassenen Fachkollegen nicht oder nicht in ausreichendem Maße erbracht werden konnten. Nach wiederholter Anhörung des Klägers und einer Umfrage bei den in K. niedergelassenen Internisten hob der Zulassungsausschuß mit Ziffer I seines Beschlusses vom 9. Mai 1980 mit Wirkung vom 1. Januar 1981 die bisherige Beteiligung des Klägers gemäß § 29 Abs. 2 a ZOÄ ganz auf und beschränkte in Ziffer 2 des genannten Beschlusses seine künftige Beteiligung auf Überweisungen

  1. zur konsiliarischen Beratung eines Kassenarztes in der Behandlung (§ 29 Abs. 2 b ZOÄ),
  2. zur Durchführung folgender besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 29 Abs. 2 c ZOÄ):

    Langzeit EKG,

    Phonokardiographie,

    Echokardiographie,

    Einschwemmkatheder in Ruhe und mit Belastung,

    Schrittmacherüberwachung,

    Reographie,

    Sonographie mit Dopplersonde,

    Plethysmographie,

    Oesophago-Gastro-Duodenoskopie mit Polypektomie,

    ERCP,

    hohe und tiefe Coloskopie mit Polypektomie,

    Leberblindpunktionen,

    Sonographie der Schilddrüse, Lunge und aller Bauchorgane,

    Auswertung atypischer peripherer Blutbilder (auf Zusendung),

    Sternalpunktionen mit Auswertung des Knochenmarktes,

    Blutgerinnungsstatus, Fibrintest,

    Durchführung, Überwachung und Kontrolle der verschiedenen Mono- und Kombinationstherapien mit cytostatischen Substanzen bei malignen Tumoren, Lymphogranulomatose und anderen malignen Systemerkrankungen,

    Punktionen von Lymphknoten, Lungenveränderungen und deren cytologische Auswertung,

    Pleurapunktionen,

    Ascitespunktionen,

    Schilddrüsenpunktionen,

    Knochenbiopsien zur Beurteilung von Skeletterkrankungen,

    Spirometrie in Ruhe und Belastung,

    eingehende endokrinologische Untersuchungen und Untersuchungen von seltenen Stoffwechselerkrankungen,

  3. sowie zur ambulanten Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung im Einvernehmen mit dem behandelnden Kassenarzt (§ 29 Abs. 2 d ZOÄ).

Im Widerspruchsverfahren wandte der Kläger sich nur gegen die völlige Beseitigung seiner Beteiligung nach § 29 Abs. 2 a ZOÄ. Sie berücksichtige nicht die in über 17 Jahren in komplizierten chronischen Behandlungsfällen entstandenen Arzt-Patientenverhältnisse. Da er ohnehin nur noch wenige Jahre Chefarzt sei und nur eine kleinere Zahl von Behandlungsfällen habe, müsse eine Übergangslösung möglich sein, die den Versicherten se...

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