Leitsatz (amtlich)
Ein Kind steht während des von seiner künftigen Ausbildungsstelle als Vorbildungsvoraussetzung für den Lehrgang in Krankengymnastik geforderten dreimonatigen Krankenpflegepraktikums in Berufsausbildung im Sinne von BKGG § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1.
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 2 Fassung 1982-01-01
Verfahrensgang
SG Speyer (Urteil vom 12.09.1983; Aktenzeichen S 9 Kg 18/63) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12. September 1983 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der zugelassenen Berufung bestreitet die Beklagte weiterhin einen Anspruch des Klägers auf Kindergeld (Kg) für seine Tochter Angelika während eines Krankenpflegepraktikums.
Der 1929 geborene Kläger bezog bis einschließlich Juli 1982 Kg für zwei Kinder, Angelika, geboren am … 1962, und Ulrich, geboren am … 1964. Danach stellte das Arbeitsamt Kaiserslautern die Zahlung für Angelika vorläufig ein, weil der Kläger am 24. Juli 1982 angezeigt hatte, daß sie im Juni 1982 das Abitur bestanden und sich bei mehreren Stellen zum frühest möglichen Zeitpunkt um einen Ausbildungsplatz als Krankengymnastin beworben habe.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 1982 teilte der Kläger dem Arbeitsamt mit, auf ihre zahlreichen Bewerbungen habe seine Tochter nur eine Zusage für einen Ausbildungsplatz zum 1. Oktober 1984 erhalten. Zuvor müsse sie aber noch ein dreimonatiges Krankenpflegepraktikum absolvieren. Dafür habe sie eine Zusage ab 1. Februar 1983, er bat deshalb das Kg ab August 1982 nachzuzahlen und bis zum Abschluß der angestrebten Ausbildung weiterzugewähren.
Trotz Vorlage des angeforderten Nachweises über die in der Zeit vom 1. Februar bis 6. Mai 1983 abgeleistete Praktikantentätigkeit hob das Arbeitsamt mit Bescheid vom 18. März und Widerspruchsbescheid vom 22. April 1983 die Kg-Bewilligung für Angelika ab August 1982 förmlich auf. Sie könne seither nicht mehr berücksichtigt werden, weil das gesetzlich nicht vorgeschriebene Praktikum nicht als Berufsausbildung anzusehen sei. Da der nächste Ausbildungsabschnitt erst im Oktober 1984 beginne, stehe dem Kläger auch für die Übergangszeit zwischen Schul- und Berufsausbildung kein Kg zu.
Mit der Klage hat der Kläger, wie schon im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, das Kg müsse wegen der intensiven und ernsthaften Bemühungen seiner Tochter um einen Ausbildungsplatz zum nächst möglichen Termin und mit Rücksicht auf das Praktikum ab August 1982 weitergewährt werden. Die Beklagte verkenne, daß ein großer Teil der Krankengymnastikschulen die Aufnahme vom Nachweis eines mindestens dreimonatigen Krankenpflegepraktikums abhängig machten. Dies gelte insbesondere auch für die einzige Schule, die seiner Tochter bisher überhaupt einen Ausbildungsplatz zugesagt habe. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, daß ein solches Praktikum nicht bereits gesetzlich vorgeschrieben sei. Es sei auch nicht Schuld seiner Tochter, daß sie mit dem Praktikum erst im Februar 1983 habe anfangen können.
Das Sozialgericht Speyer hat mit Urteil vom 12. September 1983 die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für Februar bis April 1983 Kg für seine Tochter Angelika zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen dieses dem Arbeitsamt Kaiserslautern am 20. September 1983 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 14. Oktober 1983. Sie trägt vor, sie sei zwar bereit, dem Kläger gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz des Bundeskindergeldgelsetzes (BKGG) das Kg für Angelika für August und September 1982 nachzuzahlen. Darüber hinaus stehe dem Kläger aber zunächst kein Kg mehr zu. Die Praktikantenzeit könne nicht als Übergangszeit im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden. Das 9. Änderungsgesetz zum BKGG habe die frühere, großzügigere, im wesentlichen von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geprägte, gegenteilige Verwaltungspraxis bewußt ausgeschlossen. Nach der amtlichen Begründung der Bundesregierung für die enge Begrenzung der Berücksichtigung von Übergangs- und Wartezeiten zwischen einzelnen Ausbildungsabschnitten sei kein Raum mehr für die Berücksichtigung von der Ausbildung förderlichen Tätigkeiten während längerer Wartezeiten. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts könne die Praktikantenzeit auch nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BKGG als Ausbildung behandelt werden. Dem stehe entgegen, daß die maßgeblichen Ausbildungsvorschriften ein Vorpraktikum, wie es hier streitig sei, nicht vorsähen. Dabei handele es sich um eine abschließende Regelung, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Anerkennung weiterer Betätigungen als Berufsausbildung im Sinne des BKGG grundsätzlich ausschließe. Abgesehen davon machten die Krankengymnastikschulen ein Praktikum nicht zur unabdingbaren Voraussetzung für die Aufnahme eines Schülers. Das ergebe sich schon daraus, daß die Absa...