Leitsatz (amtlich)
Auch männliche Bewerber um die Zulassung zum Besuch einer Krankenpflegeschule stehen während eines von der Schule geforderten halbjährigen Vorpraktikums in Berufsausbildung iS von § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 BKGG.
Verfahrensgang
SG Koblenz (Urteil vom 09.12.1983; Aktenzeichen S 3 Kg 8/83) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 9. Dezember 1983 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der zugelassenen Berufung verneint die Beklagte weiterhin einen Anspruch des Klägers auf Kindergeld (Kg) für seinen Sohn Torg in der Zeit von August 1982 bis Februar 1983 und fordert weiterhin Erstattung der für August bis Oktober 1982 bereits gezahlten 250,– DM.
Der 1939 geborene Kläger erhielt vom Arbeitsamt Neuwied gemäß Bewilligungsbescheid vom 8. März 1982 bis einschließlich September 1982 Kg für zwei Kinder: Torg, geboren am … 1964, und Sabine, geboren am … 1965. Im Oktober 1982 erhielt er nur noch Kg für Torg. Die Zahlung für Sabine wurde eingestellt, weil sie ihre Schulausbildung im September 1982 beendete. Der Kläger hatte dem Arbeitsamt zwar bereits am 8. Juli 1982 mitgeteilt, daß Sabine ab 1. Oktober 1982 ein Kindergartenpraktikum beginne. Die Weiterbewilligung des Kg für Sabine erfolgte aber erst ab November 1982.
Der Kläger ging irrtümlich davon aus, das Arbeitsamt habe die Zahlung für Torg eingestellt. Mit Schreiben vom 24. September 1982 wies er deshalb darauf hin, daß Torg ebenfalls ein Praktikum absolviere und bat um Weiterzahlung des Kg. Auf Rückfrage des Arbeitsamts teilte er ergänzend mit, Torg habe seine Schulausbildung am 15. Juni 1982 abgebrochen. Das Praktikum im Altenzentrum St. Josef in der Zeit vom 1. September 1982 bis 28. Februar 1983 benötige er, um eine Ausbildung als Krankenpfleger beginnen zu können.
Mit Bescheid vom 12. November 1982 und Widerspruchsbescheid vom 14. März 1983 hob das Arbeitsamt daraufhin die Bewilligung von Kg von Juli bis September 1982 in Höhe von 100,– DM monatlich, für Oktober 1982 in Höhe von 50,– DM und ab November 1982 in Höhe von 100,– DM monatlich auf und forderte Erstattung der für Juli bis Oktober bereits gezahlten 350,– DM.
Mit der Klage hat der Kläger wie schon in Widerspruchsverfahren geltend gemacht, das Praktikum sei seinem Sohn von einer Krankenpflegeschule empfohlen worden. Eine andere Schule, die ihn aufgrund eines Vorstellungsgesprächs und eines Aufnahmetests einen Ausbildungsplatz zum 1. Oktober 1983 zugesagt habe, verlange ausdrücklich den Nachweis eines halbjährigen Praktikums. Im übrigen habe Torg das Gymnasium nicht am 15. Juni, sondern ausweislich seines Abgangszeugnisses erst am 20. Juli 1982 verlassen.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 1983 vor dem Sozialgericht Koblenz hat sich die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger das Kg für den Monat Juli 1982 zu belassen und ihre Rückforderung um 100,– DM auf 250,– DM zu ermäßigen.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide ganz aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Klüger für seinen Sohn Torg auch für die Zeit von November 1982 bis Februar 1983 Kg zu gewahren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen dieses dem Arbeitsamt Neuwied am 30. Dezember 1983 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 27. Januar 1984. Sie halt die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Nur ein in den maßgeblichen Ausbildungs- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebenes Praktikum könne als Berufsausbildung im Sinne von § 2 Abs. 2 Setz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) berücksichtigt werden. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Darüberhinaus würde das streitige Praktikum auch nicht von allen Krankenpflegeschulen als besondere Zugangsvoraussetzung gefordert. Es möge zwar zutreffen, daß Bewerber ohne Praktikum derzeit kaum Chancen hatten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Die frage ob das Praktikum Berufsausbildung sei, könne aber nicht von der ständig schwankenden Ausbildungsplatzsituation abhängig gemacht werden.
Möglicherweise könne Torg für eine gewisse Zeit über den 31. Juli 1982 hinaus nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BKGG berücksichtigt worden. Dazu müsse dar Kläger aber entsprechende Bewerbungen seines Sohnes bei Krankenpflegeschulen und deren Antworten hierauf vorlegen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich im übrigen auf sein früherem Vorbringen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozeßakten und die Akten des Arbeitsamts Neuwied – Kg-Nr.: … – Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung der Beklagten hat kei...