Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 22.03.1990; Aktenzeichen S 9 Ar 382/88)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.06.1993; Aktenzeichen 11 RAr 75/92)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.3.1990 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Förderung seiner Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme vom 5.4.1988 bis 28.4.1989 durch Gewährung von Unterhaltsgeld.

Der 1963 geborene Kläger, belgischer Staatsangehöriger, hat 1985 in Belgien das „Lehrerdiplom für den Sekundarstufe-1-Unterricht” (pädagogischer Hochschulunterricht) erworben und war anschließend in G. als Lehrer beschäftigt, wo er auch seinen Hauptwohnsitz hatte. Sein befristetes Arbeitsverhältnis endete am 15.11.1987. Danach war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt Gent bis 31.12.1987. Am 2.1.1988 verlegte der Kläger seinen Hauptwohnsitz nach Bad N. in der Bundesrepublik, weil er es als aussichtslos ansah, in Belgien eine neue Arbeit zu finden und weil auch seine Ehefrau, mit der er damals verlobt war, eine in B. beschäftigte deutsche Staatsangehörige, in Belgien keine Anstellung finden konnte. Im Hinblick auf die Beschäftigung seiner Ehefrau in B. hat der Kläger auch seinen Hauptwohnsitz in Bad N. beibehalten und ist nicht wieder nach Belgien zurückgekehrt.

Am 4.1.1988 hat sich der Kläger beim Arbeitsamt Mayen arbeitslos gemeldet und unter Vorlage des Vordruckes E 313/1–4 zu Artikel 69 der EWG-Verordnung (EWG-VO) 1408/71 beantragt, ihm Arbeitslosengeld zu gewähren. Das Arbeitsamt Mayen entsprach diesem Antrag und bewilligte ihm Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 239,16 DM für 78 Tage ab 4.1.1988 (Bescheid vom 23.3.1988).

Vom 5.4.1988 bis 28.4.1989 hat der Kläger an der Bildungsmaßnahme „EDV-Fachmann/V Wirtschaft (Datenbankorganisation)” in Vollzeitunterricht (Montag bis Freitag ganztägig) erfolgreich teilgenommen. Daraufhin ist es ihm gelungen, ab Januar 1990 in der Bundesrepublik eine beruflich Existenz im EDV-Bereich aufzubauen.

Für seine Teilnahme an dem genannten „Qualifizierungsprogramm” hat das C. D. Institut in B. dem Kläger insgesamt 19.380,– DM an Lehrgangsgebühren, Lernmittel, Fahrkosten und Prüfungsgebühren in Rechnung gestellt. Das Arbeitsamt Bonn hat dem Kläger die Erstattung dieses Betrages gemäß § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bewilligt (Verfügung vom 7.6.1988), die Gewährung des ebenfalls beantragten, angeblich zuvor zugesagten, Unterhaltsgeldes jedoch abgelehnt (Bescheid vom 22.6.1988) und auch den dagegen erhobenen Widerspruch zurückgewiesen (Bescheid vom 14.9.1988): Die Teilnahme des Klägers an der Umschulungsmaßnahme sei zwar notwendig im Sinne des § 44 II 2 Nr. 1 AFG gewesen. Gleichwohl habe er die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsgeld nicht erfüllt. Er habe nämlich weder im Sinne des § 46 I 1 AFG vor der Umschulungsmaßnahme eine beitragspflichtige Beschäftigung in der Bundesrepublik ausgeübt, noch im Sinne des § 46 II 1 AFG bis zum Beginn der Bildungsmaßnahme Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen. Schriftlich sei dem Kläger die Gewährung von Unterhaltsgeld nicht zugesagt worden. Soweit er sich auf eine mündliche, damit unwirksame, Zusage berufe, sei dies auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches für die zu treffende Entscheidung nicht erheblich.

Auf die hiergegen form- und fristgerecht erhobene Klage hat das Sozialgericht Koblenz durch Urteil vom 22.3.1990 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger antragsgemäß auch Unterhaltsgeld zu gewähren: Der Kläger habe einen Anspruch auf dieses Unterhaltsgeld nach § 46 II 1 AFG. Seine Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme sei unstreitig notwendig im Sinne des § 44 II 2 Nr. 1 AFG gewesen und er habe bis zum Beginn der Bildungsmaßnahme Arbeitslosengeld bezogen. Zwar habe der Kläger seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgrund seiner Beschäftigung in Belgien erworben und diesen Anspruch bei seinem Umzug in die Bundesrepublik in Anwendung des Artikel 69 EWG-VO Nr. 1408/71 mitgenommen, so daß es sich um belgisches, in der Bundesrepublik ausbezahltes Arbeitslosengeld, nicht solches nach deutschem Arbeitsförderungsgesetz handele. Darauf komme es aber nicht an. § 46 II 1 AFG verlange nur den Bezug von Arbeitslosengeld, nicht eine bestimmte Art des Arbeitslosengeld-Bezuges. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und folge auch aus Artikel 51 EWG-Vertrag, der bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen sei. Das vorgegebene Ziel des EWG-Vertrages, günstige Voraussetzungen für die Herstellung der Freizügigkeit und der Beschäftigungsfreiheit in allen Mitgliedsstaaten zu schaffen, verlange es, das mitgenommene belgische Arbeitslosengeld dem deutschen Arbeitslosengeld nach § 46 II 1 AFG gleichzustellen. Dieser Gedanke komme auch in § 8 Abs. 2 Ziffer 5 der Anordnung für Fortbildung und Umschulung zum Aus...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge