Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der beruflichen Bildung. Vorbezug von Arbeitslosengeld. Grenzgänger

 

Orientierungssatz

Ist Art 67 Abs 1 der EWGV 1408/71 im Falle eines Grenzgängers, der im Beschäftigungsland (Bundesrepublik Deutschland) aufgrund einer mehrjährigen versicherungspflichtigen Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mehr als 156 Tagen erworben hat, jedoch aufgrund des Artikels 71 Abs 1 Buchst a DBuchst ii Leistungen im Wohnsitzland bezogen hat, bei späterer Wohnsitznahme im Beschäftigungsland dahingehend auszulegen, daß der Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Wohnsitzland dem Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Beschäftigungsland gleichzustellen ist?

 

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Artikel 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) zur Vorabentscheidung folgende Frage vorgelegt:

Ist Artikel 67 Abs. 1 der EWG-Verordnung 1408/71 im Falle eines Grenzgängers, der im Beschäftigungsland (Bundesrepublik Deutschland) aufgrund einer mehrjährigen Versicherungspflichtigen Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mehr als 156 Tagen erworben hat, jedoch aufgrund des Artikels 71 Abs. 1 a (ii) Leistungen im Wohnsitzland bezogen hat, bei späterer Wohnsitznahme im Beschäftigungsland dahingehend auszulegen, daß der Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Wohnsitzland dem Bezug von Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Beschäftigungsland gleichzustellen ist?

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Unterhaltsgeld (Uhg) in Form eines Zuschusses statt eines Darlehens im Streit.

Die Klägerin hat als belgische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Belgien in der Zeit vom 2. August 1977 bis zum 17. Juli 1980 in A. eine Lehre als Schneiderin durchlaufen und war nach deren Abschluß anschließend vom 18. Juli 1980 bis zum 9. September 1983 in A. als Schneiderin versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war sie beim Arbeitsamt in V. Belgien arbeitslos gemeldet und bezog dort Arbeitslosengeld (Alg) bis zum 12. Juni 1985.

Am 14. Juni 1985 nahm die Klägerin ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und beantragte am 15. Juli 1985 beim Arbeitsamt O. die Förderung einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme zur Schnittdirektrice bei der Schule für Mode und Schnittechnik M. & Sohn in D.. Es handelte sich hierbei um eine Vollzeitmaßnahme vom 15. Juli 1985 bis zum 10. Januar 1986. Dabei legte die Klägerin u.a. das Formular E 303/1 des belgischen Trägers der Arbeitslosenversicherung vor, demzufolge die Klägerin noch Anspruch auf Leistungen für eine Dauer von 79 Tagen, längsten jedoch bis zum 12. September 1985 habe.

In seiner Stellungnahme vom 27. September 1985 stellte der zuständige Berater der Klägerin die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit des Maßnahme fest und vermerkte überdies, daß der Leistungsbezug in Belgien (insgesamt 558 Tage) zur Erfüllung des § 46 Abs. 1 2. Alternative AFG beitrage. Der Berater sah die Voraussetzungen für eine zweckmäßige Förderung gemäß § 44 Abs. 2 a AFG als erfüllt an.

Mit Bescheid vom 30. September 1985 bewilligte die Beklagte daraufhin die Maßnahmekosten gemäß § 45 AFG und mit weiterem Bescheid vom 2. Oktober 1985 Uhg als Darlehen für die Dauer der Maßnahme.

Gegen letzteren Bescheid legte die Klägerin am 28. Oktober Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, in ihrem Fall seien die Voraussetzungen für die Zahlung des Unterhaltsgeldes als Zuschuß erfüllt.

Mit Bescheid vom 7. Januar 1987 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, daß die Klägerin die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erfülle und insoweit auch die Normen der EWG-Verordnung Nr. 1408/71 nicht angewandt werden könnten, da diese gemäß Artikel 4a nicht für Leistungen der individuellen Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung gelten würden. Aus den Akten der Beklagten ist insoweit ersichtlich, daß von einer Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsbescheide jedoch Abstand genommen wurde.

Mit der am 26. Januar 1987 beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihren Anspruch auf zuschußweise Gewährung des Unterhaltsgeldes weiter.

Mit Urteil vom 30. August 1991 gab das SG der Klage statt. Hinsichtlich der zuschußweisen Gewährung des Unterhaltsgeldes gelangte die Kammer zu der Überzeugung, daß es sich vorliegend um einen Fall der notwendigen Förderung im Sinne des § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AFG handelte, der erst aufgrund der Teilnahme der Klägerin an der Bildungsmaßnahme die eingetretene Arbeitslosigkeit durch eine berufliche Eingliederung habe beseitigt werden können. Die Klägerin er fülle ferner die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 1 AFG, da sie innerhalb der letzten 3 Jahre vor Beginn der Maßnahme zumindest mehr als 156 Tage Alg bezogen habe. Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 4.6.1987 - Az.: 375/85 - = SozR 6050 Art. 67 Nr. 3) mache es keinen Unterschi...

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