Verfahrensgang
SG Trier (Urteil vom 10.10.1996; Aktenzeichen S 3 U 349/94) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 10.10.1996 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BeKV) – Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen – festzustellen und zu entschädigen ist.
Der Kläger ist 1938 geboren. Er war zunächst von 1956 bis 1971 als Schreiner und von 1971 bis 1991 als Lagerist und Kundendienstfahrer in einem Möbellager tätig. Nebenberuflich arbeitete er seit 1952 als Nebenerwerbswinzer. Er bezieht von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland-Pfalz seit dem 1.10.1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente und von der Landwirtschaftlichen Alterskasse ein vorzeitiges Altersgeld.
Mit Bescheid vom 15.5.1996 lehnte die Berufsgenossenschaft (BG) für den Einzelhandel die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1301 ff der Anlage 1 zur BeKV ab. Zur Begründung gab sie an, aufgrund der durchgeführten Begutachtungen auf neurologischem, augenärztlichem, radiologischem und hautärztlichem Fachgebiet sei keine der bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen (Leistungsminderung und Wesensänderung mit Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, Gedächtnisstörungen und sonstigen Beschwerden) auf seine berufliche Tätigkeit als Schreiner zurückzuführen. Hierbei werde berücksichtigt, dass der Kläger neben den „gewöhnlichen” Schreinerarbeiten auch Lackier-, Spritz- und Klebetätigkeiten sowie Tätigkeiten als Lagerist, Fahrer und Beifahrer im Lager- und Auslieferungsbereich verrichtet habe.
Im Juli 1993 hatte der Kläger außerdem bei der Rheinischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft den Antrag gestellt, die bei ihm vorliegenden Beschwerden (Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, Hautekzeme und Gedächtnisstörungen) als Folgen einer Spritzmittelvergiftung anzuerkennen. Er bezog sich dabei auf einen Arztbrief seines behandelnden Nervenarztes Dr. B. vom 27.5.1993.
Auf Anfrage der Rheinischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft stellte der Kläger eine Liste der Spritzmittel zusammen, die er im Weinberg verwendete. Außerdem gab er an, in einem Jahr sieben bis neun Spritzungen an drei Tagen und ca. vier bis acht Stunden durchgeführt zu haben (Schreiben vom 14.7.1993). Da es sich um eine schleichende Vergiftung gehandelt habe, sei keine sofortige ärztliche Hilfe in Anspruch genommen worden, sondern erst als sich später starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Brechreiz, Bauchschmerzen sowie Schwindel und Sehstörungen eingestellt hätten (Schreiben vom 8.3.1994).
Die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zog das seit 1968 geführte Vorerkrankungsverzeichnis der Allgemeinen Ortskrankenkasse. (AOK) Trier-Saarburg, Arztbriefe des behandelnden Nervenarztes Dr. B. sowie einen Bericht über den Erkrankungsverlauf des praktischen Arztes Dr. T. bei. Dr. B. diagnostizierte bei dem Kläger eine deutliche Leistungs- und Wesensänderung nach jahrzehntelanger Arbeit mit toxischen Arbeitsstoffen. Dr. T. teilte mit, der Kläger habe ihn seit 1981 wegen Krankheiten des Bewegungsapparates aufgesucht. Erst seit 1993 werde der Kläger wegen einer Wesensänderung und Leistungsminderung behandelt.
Nachdem die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Sicherheitsdatenblätter der von dem Kläger verwendeten Spritzmittel beigezogen hatte, stellte Dr. W., Arzt für Arbeitsmedizin, fest, aus arbeitsmedizinischer Sicht seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung einer Berufskrankheit infolge der beruflichen Verwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln gegeben.
In einem Aktenvermerk vom 5.8.1994 hielt die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft fest, eine Berufskrankheit infolge des Umgangs mit Spritzmitteln könne nach den Feststellungen der Gutachter Prof. Dr. K., Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Johannes Gutenberg-Universität M., sowie von Prof. Dr. E., Walther-Straub-Institut für Pharmalogie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-Universität M., nur dann anerkannt werden, wenn massive Akutvergiftungen durch Pestizide ärztlich dokumentiert seien. Dies treffe auf den Kläger nicht zu.
Mit Bescheid vom 9.8.1994 lehnte die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft den Antrag des Klägers auf Feststellung einer Berufskrankheit ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.1994 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren hat die Rheinische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Gutachten von Prof. Dr. E. vom 4.8.1993 und Prof. Dr. K. vom 27.11.1991 vorgelegt. Prof. Dr. E. ist zu dem Ergebnis gelangt, die derzeit verfügbaren Daten über eine Exposition gegenüber Organophosphaten und neurophsychologischen Späterkrankungen ergäben keine Hinweise darauf, dass asymptomatische Expositionen neuropsychologische Dauerschäden verursachen würden. Wiederholte Episoden mit Organophos...