Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. Prozessökonomie. Ablehnungsbescheid bzgl Quasi-Berufskrankheit. laufendes Verfahren
Orientierungssatz
Zur Nichteinbeziehung eines späteren Bescheides gem § 96 SGG, der die Frage der Feststellung und Entschädigung einer Quasi-Berufskrankheit betrifft, in das Berufungsverfahren, das die Frage der Feststellung und Entschädigung einer Listen-Berufskrankheit (hier: BKV Anl Nr 1307) zum Streitgegenstand hat.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der 13er-Gruppe der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), insbesondere nach Nr. 1307 der Anlage zur BKV, oder einer Quasi-Berufskrankheit.
Der ... geborene Kläger arbeitete von 1958 bis 1962 und ab Mitte 1965 bis 1967 als Weinbergsarbeiter. Von 1963 bis Mitte 1965 und von 1968 bis 1971 war er als Schlepperfahrer und Waldarbeiter beschäftigt. In der Zeit von 1970 bis 1986 arbeitete er als selbstständiger Winzer und von März 1986 bis 1993 als Betriebshelfer im Weinbau. Seit 1993 ist er nicht mehr berufstätig und nach eigenen Angaben arbeitsunfähig.
Mit ärztlicher Anzeige über eine Berufskrankheit vom 10.9.1993 äußerte der Trierer Nervenarzt Dr. B den Verdacht einer berufsbedingten Schädigung durch Pestizide. Seit ca. 1970 leide der Kläger unter Kopfschmerzen, Schwindel, Gelenkschmerzen und Leistungsabfall. In einem psychologischen Untersuchungsbericht des Diplompsychologen S vom 14.7.1993 heißt es, die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit des Klägers liege knapp im unteren Durchschnittsbereich. Die emotionale Situation des Klägers müsse als gravierend instabil bezeichnet werden. Anamnestisch hatte der Kläger in diesem Bericht angegeben, seit 1975 nur einmal das Gift E 605 gespritzt, ansonsten keine Gifte mehr verwendet zu haben. Akute Vergiftungserscheinungen seien bei ihm nur 1991 in Form einer allergischen Hautreaktion nach einer Hubschrauber-Spritzaktion aufgetreten. Dies bestätigte der Kläger nochmals in einem Arztbericht des Dr. B vom 15.9.1993 und im Rahmen einer schriftlichen Befragung durch die Beklagte. Bei dieser Befragung gab er auch an, jährlich ca. 6 Spritzungen an jeweils drei Tagen im Abstand von 14 Tagen 10 h täglich durchgeführt zu haben. Verwendet worden seien die Stoffe DDT, E 605, Metasystox und Aldrin.
Mit Bescheid vom 26.7.1994 lehnte die Beklagte die Feststellung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 1307 der Anlage zur BKV ab. Zur Begründung führte sie aus, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen organphosphathaltigen Pflanzenbehandlungsmitteln und dem beschriebenen Krankheitsbild einer schweren Wesens- und Leistungsänderung sowie Muskelschäden zwar grundsätzlich möglich, jedoch nicht wahrscheinlich sei. Zu einer massiven akuten Vergiftung, die das sofortige Aufsuchen eines Arztes oder Krankenhauses und der Einleitung einer sofortigen antitoxischen Behandlung erfordert hätte, sei es beim Kläger nicht gekommen.
Den am 22.8.1994 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter anderem damit, die Annahme, es sei nicht zu akuten Vergiftungen gekommen, sei unzutreffend. Er habe lange Zeit an so genannten offenen Beinen und Hautausschlägen gelitten. Außerdem leide er an einer Vielzahl anderer Erkrankungen, die mit der Verwendung von Spritzmitteln in Zusammenhang stünden.
In einem Arztbericht vom 19.12.1994 vertrat die Ärztin für Chirurgie, Dr. R, die Auffassung, die beim Kläger bestehenden Sensibilitätsstörungen im Bereich des zweiten und dritten Fingers der rechten Hand seien weitgehend Folge einer Neurotoxizität. Am 17.5.1995 übersandte Dr. B einen SPECT-Befundbericht des Radiologen Dr. H vom 24.2.1995, in welchem dieser Perfusionsstörungen im Bereich der überwiegenden Hirnrindenareale und Stammganglien diagnostizierte. Zur Vorlage kam außerdem ein Attest des praktischen Arztes Dr. T wonach sich der Kläger am 15.7.1991 einmalig wegen einer allergischen Dermatose im Bereich der Brustwand, des Rückens und der Beine bei ihm vorgestellt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.8.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Trier Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Amts wegen durch den Facharzt für Innere Medizin und Umweltmedizin, Dr. K, vom 20.8.1998. Dieser hat ausgeführt, der Kläger leide unter einer Encephalopathie Stadium IIb, einer peripheren und vegetativen Polyneuropathie, einer Arthromyopathie, unter toxischen Schleimhautschäden des Magens, Darms und der Harnorgane, einer chronischen Bindegewebserkrankung sowie einem Tinnitus. Bis auf diesen seien alle Diagnosen mit Wahrscheinlichkeit verursacht bzw. wesentlich mitverursacht durch den Gebrauch von Organophosphaten. Die hieraus resultierende Gesamt-MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) betrage ab 1990 60%, ab 1995 80% und ab 1998 70 %.
Daneben hat das Sozialgericht einen histologischen Befundbericht anlässlich einer beim Kläger am 26.11.1997 von Prof. D...