Leitsatz (amtlich)
1. Die Notwendigkeit der häufigen Aufnahme geringer Flüssigkeitsmengen zur Vermeidung der Austrocknung der Mundschleimhaut begründet nicht das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, wenn der Versicherte noch vollschichtig körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltung zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, in geschlossenen, temperierten Räumen, ohne inhalative Noxen verrichten kann. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt ebenfalls nicht vor.
2. Die berufliche Einsetzbarkeit unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen ist nicht deshalb in Frage gestellt, weil der Versicherte im Abstand von 5 bis 15 Minuten im Rahmen eines automatisierten Vorgangs, der bis zu 10 Sekunden dauert, zur Befeuchtung der Mundschleimhaut geringe Mengen Flüssigkeit aufnehmen muss.
3. Von einer Einsatzfähigkeit unter arbeitsmarktunüblichen Bedingungen wegen zusätzlicher, betriebsunüblicher Pausen, ist nicht auszugehen, sofern feststellbar kurze Arbeitsunterbrechungen zusammen maximal 1 Minute pro Stunde betragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1950 geborene Kläger arbeitete im erlernten Beruf des Kraftfahrzeugschlossers bis zum Jahre 1975, danach bis 1984 als Schlosserhelfer in einer Gießerei und anschließend bis 1990 als Schlosserhelfer in einem Maschinenbaubetrieb. Bis zur Aufnahme einer Tätigkeit als Chemiearbeiter ging der Kläger verschiedenen Tätigkeiten nach mit Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit. Ab August 1999 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Krankengeld bezog er bis zum 18.02.2001, danach Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Am 21.08.2000 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Rente. Er machte geltend, wegen einer Tumorerkrankung erwerbsunfähig zu sein.
Die Beklagte zog den Entlassungsbericht über eine in der Zeit vom 04. bis zum 25.01.2000 durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme bei. Die behandelnden Ärzte des D.-O.-Hospitals diagnostizierten ein Zungenkarzinom, eine Pharyngitis sicca, eine Stomatitis sicca sowie Halsweichteil-Neuralgien. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger in seinem Beruf als Chemiearbeiter nicht mehr tätig werden solle. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er noch voll einsatzfähig sein. Berücksichtigt werden solle, dass die Verständigung nur eingeschränkt möglich sei. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne Hilfsmittel sei nur noch bedingt zumutbar. Der Kläger sei vor Hitze, Kälte, Nässe, extremen Temperaturschwankungen und inhalativen Belastungen zu schützen.
Nach Beiziehung eines Befundberichtes und ärztlicher Unterlagen von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. veranlasste die Beklagte eine gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den Facharzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. R. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 10.10.2002 folgende Gesundheitsstörungen fest:
Tonsillenkarzinom rechts T4 N2 Mx, erweiterte Tumor-TE, Unterkieferteilresektion und funktionelle Neck dissection beidseits mit Unterbinden der Arteria carotis externa rechts am 25.08.1999, Radiatio bis 24.11.1999, Pharyngitis sicca, Stomatitis sicca, Halsweichteil-Neuralgie; Gonarthrose links nach Meniskus-Operation 1981; Alkoholabhängigkeitssyndrom; Abstinenz seit 1/97; chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom, Verdacht auf Coxarthrose beidseits; chronische Bronchitis bei Nikotinabusus. Zur Leistungsfähigkeit des Klägers führte der Gutachter aus, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und der erlernte Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers seien nicht mehr zumutbar. Körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne inhalative Belastungen, extreme Temperaturschwankungen, Hitze, Kälte oder Nässe seien noch vollschichtig zumutbar.
Mit Bescheid vom 19.10.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit mit der Begründung ab, der Kläger könne noch vollschichtig Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten.
Zur Begründung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend, nach der Tumorentfernung an Schluckbeschwerden zu leiden, die eine kontinuierliche Flüssigkeitsaufnahme erforderlich machten. Dies führe zu ständigen Arbeitsunterbrechungen. Außerdem habe er eine Arthrose in beiden Knien, weshalb seine Wegefähigkeit erheblich reduziert sei. Des Weiteren sei bei ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt.
In einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 01.12.2000 führte Dr. J. aus, eine weitere Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes werde nicht für erforderlich gehalten.
Der letzte Arbeitgeber des Klägers, die Firma W., teilte der Beklagten auf Anfrage mit, dass der Kläger als Chemiearbeiter beschäftigt gewesen sei. Es habe sich hierbei um eine Anlerntätigkeit mit einer Anlernzeit von drei bis vier Monaten gehandelt. Der Kläger sei nach der Lohngruppe E2 des in Rheinland-Pfalz geltenden Tarifvertrages für die chemische Industrie entlo...