Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erfüllung der Anwartschaftszeit. überlappende Kindererziehungs- und -betreuungszeiten für 2 Kinder teils vor und nach dem 1.1.2003. Versicherungspflicht während der Erziehungszeiten. 2monatige Unterbrechung nach versicherungspflichtiger Beschäftigung durch Mutterschutzfrist ohne Mutterschaftsgeldbezug. Überbrückungszeit. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Zeiten der Erziehung und Betreuung von Kindern vor dem 1.1.2003 können nach der Übergangsregelung des § 434d Abs 2 SGB 3 iVm § 124 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 aF nur dann zur Verlängerung der Rahmenfrist führen, wenn diese Zeiten auch in die reguläre Rahmenfrist fallen.

2. Der Bezug eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld vom Arbeitgeber nach § 14 Abs 1 MuSchG kann nicht mit dem Bezug von Leistungen nach § 13 MuSchG bzw von Mutterschaftsgeld gleichgestellt werden, der gem § 26 Abs 2 SGB 3 zum Eintritt einer sonstigen Versicherungspflicht oder gem §§ 427a, 427 Abs 3 SGB 3 iVm § 107 S 1 Nr 5 Buchst b AFG zur Gleichstellung der Mutterschaftszeiten mit Beitragspflicht begründenden Zeiten bzw Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses führen kann. Mangels entsprechender Rechtsgrundlage scheidet auch eine Anwendung des § 107 S 1 Nr 5 Buchst c AFG für Erziehungszeiten nach dem Inkrafttreten des SGB 3 am 1.1.1998 aus.

3. Bei zwei sich überschneidenden Kindererziehungszeiten ist jedoch grundsätzlich von einer sonstigen Versicherungspflicht gem § 26 Abs 2a SGB 3 für die gesamte Zeit von der Geburt des älteren bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des jüngsten Kindes auszugehen, soweit die sonstigen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Dies gilt auch dann, wenn ein Teil der sich überschneidenden Erziehungszeiten vor dem Inkrafttreten des § 26 Abs 2a SGB 3 am 1.1.2003 gelegen hat (Anschluss an BSG vom 29.5.2008 - B 11a/7a AL 64/06 R).

4. Auch wenn mit Eintritt der Mutterschutzfrist iS von § 3 Abs 2 MuSchG kein Arbeitsentgelt, sondern nur ein Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG gezahlt wurde und die versicherungspflichtige Beschäftigung daher bereits mit Beginn der Mutterschutzfrist, hier 2 Monate, vor Beginn der Erziehungszeit endete, sind die Voraussetzungen des § 26 Abs 2a S 1 Nr 1 SGB 3 erfüllt, da die unmittelbar an das Beschäftigungsverhältnis angrenzende Mutterschutzfrist ein unter verfassungsrechtlichen Aspekten zu beachtender Unterbrechungstatbestand ist, durch den die Unmittelbarkeit zwischen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Erziehungszeit gewahrt wird. Dies gilt auch, wenn mangels Bezug von Mutterschaftsgeld die Mutterschutzfrist keine Anwartschaftszeit iS des § 26 Abs 2 SGB 3 begründet hat.

 

Nachgehend

BSG (Vergleich vom 02.05.2012; Aktenzeichen B 11 AL 13/11 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 17.03.2010 - S 5 AL 39/10 sowie der Bescheid der Beklagten vom 02.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.08.2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin dem Grunde nach Arbeitslosengeld ab dem 14.04.2007 zu gewähren.

2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten die für eine Arbeitslosengeld(Alg-)Gewährung erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt.

Die 1967 geborene Klägerin hat einen Magisterabschluss der Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität Regensburg und war laut Arbeitsbescheinigung der N. Klinik B. vom 15.07.1998 bis zum 13.04.2007 als Sprachtherapeutin bzw. klinische Linguistin in der Klinik beschäftigt, wobei die Klägerin ihr erstes Kind (J., dessen Geburt für den 10.04.2002 errechnet war) am 2002 gebar und ihr zweites Kind (C. I.) am 2004, so dass sie sich in der Zeit vom 27.02.2002 bis zum 13.04.2007 abwechselnd in Mutterschutz und Elternzeit befand. Die Arbeitgeberin führte von dem Gehalt der Klägerin, das sie bis zum 26.02.2002 an die Kläger entrichtete, Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ab und übernahm zudem einen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin. Im Zeitraum von Februar 2002 bis Juni 2002 zahlte sie der Klägerin einen Mutterschaftsgeldzuschuss.

Das Arbeitsverhältnis wurde von der Klägerin am 14.02.2007 zum Ablauf der Elternzeit am 13.04.2007 gekündigt. Am 20.04.2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Alg, in dem als Tag der Meldung der Arbeitssuche der 12.04.2007 und als Tag der Arbeitslosmeldung der 14.04.2007 vermerkt waren. Im genannten Antrag gab die Klägerin als Kündigungsgrund an, dass die Familie aus beruflichen Gründen ihres Ehemanns bereits vor rund vier Jahren (also ca. 2003) von Bayern ins Rheinland umgezogen sei, so dass eine Wiederaufnahme ihrer ehemaligen Tätigkeit nach der Elternzeit wegen der Entfernung nicht mehr in Betracht gekommen sei. Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte die K...

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