Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 12.10.1994; Aktenzeichen S 5 U 117/92)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 12.10.1994 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11.9.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.1992 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Entschädigungsleistungen wegen der Folgen des Unfalls vom 10.2.1990 zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen versicherten Wegeunfall erlitten hat.

Der 1939 geborene Kläger war seit 1976 als Heizer bei den amerikanischen Streitkräften in der Nähe von K. beschäftigt. Am 10.2.1990 endete seine Arbeitszeit nach Angaben der Streitkräfte um 18 Uhr. Gegen 17.55 Uhr trug er sich am Ende der Schicht im Schichtbuch aus. Auf dem Heimweg wurde er an der B. von dem PKW des Karl B. erfaßt. Dieser erklärte später zum Unfallhergang, er sei auf der B. in Richtung K. hinter 5–6 Fahrzeugen hergefahren; es sei dunkel gewesen, habe stark geregnet und es habe Gegenverkehr geherrscht; sein PKW habe eine Geschwindigkeit von ca. 60–70 km/h gehabt; plötzlich habe es gekracht, wie wenn ein Ast auf sein Fahrzeug gefallen sei, und seine Windschutzscheibe sei zerbrochen.

Der Kläger wurde später schwer verletzt im Straßengraben neben der rechten Straßenseite in Richtung K. aufgefunden. Gegen 20 Uhr wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Die ihm dort entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,55 Promille.

Bei dem Unfall erlitt der Kläger neben sonstigen Verletzungen ein schwerstes Schädelhirntrauma mit Hirnkontusionsblutungen. Er kann sich an das Zustandekommen des Unfalls nicht erinnern.

Die amerikanischen Streitkräfte berichteten der Beklagten, der Kläger sei nach Beendigung der Arbeit zu Fuß zur Bushaltestelle an der B. gegangen, wo gegen 19.00 Uhr der Stadtbus in Richtung K. abfahre, den der Kläger täglich benutzt habe.

Der Kläger war kurze Zeit vor dem Unfallereignis von zwei Passanten auf der Straße gehend gesehen worden. Die amerikanische Soldatin S.M. Z. schilderte, sie habe, als sie zwischen 18.45 Uhr und 18.55 Uhr in ihrem Fahrzeug auf der Mortuary-Road in Richtung zur B. gefahren sei, einen Mann in der Mitte der zwei Fahrbahnen gesehen, der auf der Straße herumgeschwankt sei. Sie habe gehupt, ohne daß der Mann reagiert habe. Auf nochmaliges Hupen hin sei er auf die rechte Straßenseite getorkelt. Sie habe noch gesehen, daß er auf der B. auf der rechten Seite, ca. „einen Foot” von der rechten Seite weg, gelaufen sei. Da sie dann zur anderen Seite der B. bin abgebogen sei, habe sie ihn nicht weiter beobachten können. Der Kfz-Schlosser U. K. gab an, er habe am Unfallabend, mit seinem Pkw auf der Straße von Landstuhl in Richtung K. kommend, in Höhe zwischen der Main Drive und den US-Sportplätzen einen Mann erblickt, der als Fußgänger in Richtung K. auf der rechten Fahrspur, ca. 2 Meter vom rechten Fahrbahnrand entfernt, gegangen sei. Er habe wegen ihm seinen Pkw bis zum Stillstand abbremsen müssen und Hupzeichen gegeben, worauf der Mann nicht reagiert habe. Er habe warten müssen, bis der Gegenverkehr vorbeigewesen sei, um an dem Fußgänger vorbeizufahren.

Bei Karl B. wurde nach dem Unfall eine BAK von 1,65 Promille festgestellt. Er wurde später wegen eines fahrlässigen Vergehens der Trunkenheit im Verkehr strafgerichtlich verurteilt. Dabei ging das Amtsgericht (AG) Kaiserslautern davon aus, daß bei ihm im Unfallzeitpunkt eine BAK von über 1,3 Promille vorgelegen habe (Urt v. 27.5.1991, Az 9 a Js 1611/90 1 Ds).

In einem Schreiben vom Februar 1991 erklärte die Abteilungsleiterin Sch.-V. für die amerikanischen Streitkräfte: Am Unfalltag habe der Kläger zusammen mit seinem Arbeitskollegen U. B. Dienst gehabt. Den Angaben von U. B. zufolge sei der Arbeitstag ganz normal verlaufen. Der Kläger habe während seiner Arbeitszeit bis zum Dienstende von U. B. um 15 Uhr keinen Alkohol getrunken. Von 15 bis 17 Uhr sei der Kläger allein an seinem Arbeitsplatz gewesen. Um 17 Uhr sei seine Ablösung, R. E., am Arbeitsplatz eingetroffen. Dieser habe angegeben, ihm sei nichts Außergewöhnliches aufgefallen und er habe nicht den Eindruck gehabt, daß der Kläger Alkohol getrunken gehabt habe. Sein Vorgesetzter H.G. S., der Vorarbeiter M. und der Arbeitskollege E. hätten bestätigt, sie hätten nie wahrgenommen, daß der Kläger während der Arbeitszeit Alkohol zu sich genommen habe. Er habe am Unfalltag seine Arbeit ordentlich verrichtet; alle Heizungen seien ordnungsgemäß versorgt und sauber gewesen.

Durch Bescheid vom 11.9.1991 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlaß des Unfalls ab, da die Voraussetzungen für die Anerkennung eines versicherten Wegeunfalls nicht erfüllt seien. Zur Begründung hieß es: Die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall sei das alkoholbedingte Verhalten des Klägers gewesen. Deshalb seien die Voraussetzungen eines versicherten Wegeunfalls nicht erfüllt.

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