Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. relative Verkehrsuntüchtigkeit. Alkoholisierung. 2,00 Promille. wesentliche Bedingung. objektive Beweislast des Unfallversicherungsträgers. alkoholtypisches Fehlverhalten. Verstoß gegen StVO. Benutzen der falschen Fahrbahnseite

 

Orientierungssatz

Ein Fußgänger, der mit einer BAK von 2,00 Promille seinen Heimweg auf der falschen Fahrbahnseite fortsetzte und dabei verunglückte, steht gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn mangels Vorliegens alkoholtypischen Fehlverhaltens nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Alkoholisierung eine wesentliche Mitursache für den Verkehrsunfall darstellte.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des  Sozialgerichts Regensburg vom 18.03.2005 sowie der  Bescheid der Beklagten vom 14.11.2002 in der  Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2003  aufgehoben, und es wird festgestellt, dass der  Unfall des Klägers am 25.09.2001 ein Arbeitsunfall  ist.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen  Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der 1955 geborene Kläger, der in der Physiotherapiepraxis seiner Lebensgefährtin A. J. als Praxisverwalter sowie als Pferdepfleger und Trainer hinsichtlich der zu Therapiezwecken gehaltenen Pferde beschäftigt war, erlitt am 25.09.2001 gegen 3.30 Uhr als Fußgänger auf der rechten Fahrbahnseite der Staatsstraße auf der Strecke von A. nach H. einen Verkehrsunfall, als er von einem LKW erfasst und schwer verletzt wurde.

Zum Unfallzeitpunkt befand er sich auf dem Heimweg vom Stall, wo er die Verletzung eines Pferdes kontrolliert hatte, nachdem er seit ca. 20.00 Uhr mit Frau J. und Frau E. in verschiedenen Gaststätten Alkohol konsumiert hatte. Den Kontrollgang trug er in ein Arbeitsnachweisheft mit "Beginn der Arbeitszeit 3.00 Uhr" ein.

Zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 8.40 Uhr wurde eine Blutalkoholkonzentration von 1,65 Promille (Mittelwert) festgestellt.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft R. (Az.: 126 Js 20964/01), einschließlich eines Gutachtens des Dipl. Ing. S. , D. Automobil GmbH, vom 25.06.2002 und eine Auskunft der Arbeitgeberin, A. J. , mit der entsprechenden Kopie aus dem Arbeitsnachweisheft vom 19.09.2002, bei.

Die Arbeitgeberin hat ausgeführt, dass sich am 23.09.2001 ein Therapiepferd beim Sicherheitstraining verletzt habe. Es seien daher Kontrollgänge durchzuführen gewesen. Die Dokumentation der Tätigkeit sei nicht ungewöhnlich oder sonst auffällig gewesen. Auch andere Gegebenheiten im Stall hätten keine Anzeichen von mangelnder Arbeitsweise gezeigt.

Mit Bescheid vom 14.11.2002 lehnte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ab. Der Alkoholeinfluss stelle die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall dar. Der in den polizeilichen Feststellungen dokumentierte Unfallhergang spreche eindeutig für ein rein alkoholbedingtes Fehlverhalten (Torkeln). Andere (äußere) Einflüsse, zum Beispiel Verkehrswidrigkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers, seien aus den polizeilichen Ermittlungsakten nicht erkennbar.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass auch nach dem unfallanalytischen Gutachten des Dipl. Ing. S. die tatsächliche Bewegungslinie des Fußgängers nicht rekonstruierbar sei. Das Vorliegen eines Torkelns sei ausschließlich auf eine Aussage des LKW-Fahrers gegründet, die dieser vor der Polizei getätigt habe. Später habe er die Aussage verweigert bzw. zu A. J. gesagt, er könne sich die Kollision nicht erklären. Es sei vielmehr die mangelnde Aufmerksamkeit des Fahrers die wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Dieser hätte bei einem eingeleiteten Seitenversatz nach links bei Erkennbarkeit des Fußgängers den Unfall vermeiden können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da eine betriebliche Ursache nicht erkennbar sei und eine nachgewiesene erhebliche Alkoholkonzentration mit entsprechendem Fehlverhalten (Torkeln) vorlag, spreche nach der Erfahrung des täglichen Lebens der erste Anschein dafür, dass die Alkoholbeeinflussung die allein rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall sei.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2003 zu verurteilen, das Ereignis vom 25.09.2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.

Der Kläger hat ausgeführt, ein alkoholbedingter Leistungsabfall sei nicht nachgewiesen. Ein Torkeln in die Fahrbahn habe nicht vorgelegen. Er sei vielmehr auf dem äußerst rechten Begrenzungsstrich gegangen. Die rechte Fahrbahnseite habe er benutzt, weil er seinen Bekannten, Herrn L. A. , nicht verfehlen wollte, der ihn verein...

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