Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ausschluß. Kostenübernahme. medizinische Fußpflege. Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versicherte haben gegen ihre Krankenkasse keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine medizinische Fußpflege, weil es sich hierbei um eine Maßnahme der Krankheitsverhütung handelt, die der Eigenverantwortung der Versicherten zuzurechnen ist.

2. Der Ausschluß der Kostenübernahme für medizinische Fußpflege durch die Heil- und Hilfsmittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Orientierungssatz

Die Kostenbelastung einer an Diabetes mellitus leidenden Versicherten bei Inanspruchnahme eines medizinischen Fußpflegers verstößt nicht gegen das in Art 20 Abs 1 GG normierte Sozialstaatsprinzip.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.11.1999; Aktenzeichen B 1 KR 9/97 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für medizinische Fußpflege.

Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Januar 1994 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für medizinische Fußpflege. Sie legte ein Attest ihrer Hausärzte Dres. B und Sch vom 10.1.1994 vor. Hierin wurde ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ I mit diabetischer Mikroangiopathie und diabetischer Polyneuropathie diagnostiziert. Aufgrund der sensitiven Mißempfindungen bestehe die Notwendigkeit einer medizinischen Fußpflege, um die Gefahr von Verletzungen und Komplikationen zu vermeiden.

Der Medizinaldirektor Dr. R vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz führte in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 11.2.1994 aus, bei der medizinischen Fußpflege handele es sich grundsätzlich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Im vorliegenden Fall liege jedoch eine systemische Grunderkrankung vor, in deren Folge zur Sanierung von Folgekrankheiten die medizinische Fußpflege notwendig sei. Im vorliegenden Einzel-  und Sonderfall sei aus medizinischer Sicht eine Kostenübernahme für eine medizinische Fußpflege in etwa 14-tägigem Abstand indiziert.

Mit Bescheiden vom 7.3.1994 und 23.3.1994 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, sie werde sich an den Kosten für zwei Behandlungen monatlich in Höhe von je 28,-- DM abzüglich eines Eigenanteils von 10 % pro Behandlung beteiligen.

Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 20.10.1994 informierte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 24.10.1994 darüber, daß der Bundesausschuß für Ärzte und Krankenkassen in seiner Sitzung am 25.5.1994 beschlossen habe, daß medizinische Fußpflege nicht mehr im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung als Heilmittel verordnet werden könne. Daher könnten in der Zukunft keine Kosten für die Fußpflege der Klägerin mehr übernommen werden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.4.1995 zurückgewiesen.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Mainz mit Urteil vom 12.7.1996 unter Zulassung der Berufung abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Fußpflege über den Monat Oktober 1994 hinaus. Heilmittel im Sinne des § 32 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) seien Mittel zur Behandlung einer Krankheit, die überwiegend äußerlich angewendet würden und keine Arzneimittel seien. Es sei bereits zweifelhaft, ob Fußpflege unter den Begriff des Heilmittels falle, da ein krankhafter Zustand an den Füßen derzeit nicht bestehe. Bei der seit Jahren durchgeführten Fußpflege handele es sich um eine vorbeugende Pflegemaßnahme, die das Ziel habe, das mögliche Entstehen von Krankheiten zu verhindern. Vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Erkrankungen könnten nur dann Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung sein, wenn es sich hierbei um medizinische Maßnahmen handeln würde. Dies sei bei der Fußpflege nicht der Fall. Unabhängig davon werde in der gesetzlichen Krankenversicherung medizinische Fußpflege nicht als Leistung gewährt. Dies sei durch die Änderung der Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien mit Wirkung ab 25.5.1994 geregelt worden. Dieser Leistungsausschluß sei nicht zu beanstanden. Die Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen zur Sicherung der ärztlichen Versorgung seien im Streit um die Leistungen zur Krankenbehandlung für die Gerichte maßgeblich, es sei denn, daß sie auf einer unrichtigen Auslegung höherrangigen Rechts beruhten oder ihr Inhalt sachlich unvertretbar sei. Durch den Ausschluß der medizinischen Fußpflege als Heilmittel werde höherrangiges Recht nicht verletzt. Eine konsequente Fußpflege sei bei der Klägerin erforderlich, damit es wegen der Zuckerkrankheit nicht zu Folgeschäden komme. Diese Krankenbehandlung könne jedoch durch Dermatologen sichergestellt werden. Zu dem Aufgabenbereich eines Dermatologen gehöre das Schleifen und/oder Fräsen von Bezirken der Haut oder von...

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