Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Voraussetzung für Schadensregress. Verordnung von Doppelstunden bei Krankengymnastik. Verwendung der Abkürzung MTT (medizinische Trainingseinheit)
Orientierungssatz
1. Der Schadensregress gegenüber einem Vertragsarzt erfordert eine schuldhafte Pflichtverletzung, die adäquat-kausal zu einem Schaden geführt hat.
2. Aus Nr 17 S 2 der Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien ergibt sich, dass auch eine Verordnung längerer Behandlungsserien wie auch die Verordnung von Doppelstunden im Rahmen der Krankengymnastik möglich ist.
3. Die Verwendung der Abkürzung MTT (für medizinische Trainingstherapie) auf einem Teil der Heilmittelverordnungen eines Vertragsarztes, bei denen eine "Doppelbehandlung" Krankengymnastik verordnet worden ist, führt nicht dazu, dass hinsichtlich der 2. Behandlungseinheit eine unzulässige Verordnung von "Fitnesstraining" vorliegt, die der Vertragsarzt nach § 48 Abs 1 BVM-Ä als Schaden den Krankenkassen zu erstatten hat.
4. Die nicht abschließende Aufzählung in Nr 35 S 2 HeilHilfsMRL schließt es nicht aus, auch andere Geräte zu verwenden, beispielsweise Trainingsgeräte, die den dort genannten Zielen dienen, sofern das Training unter Kontrolle und Anleitung eines Krankengymnasten aufgrund eines individuellen Trainingsplanes unter Berücksichtigung der bestehenden Erkrankungen erfolgt und nicht die körperliche Ertüchtigung iS eines allgemeinen Fitnesstrainings im Vordergrund steht.
5. Die Verwendung des Begriffes MTT als Hinweis auf eine entsprechende Behandlung der Muskulatur steht im Einklang mit Nr 25 S 1 der Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien.
6. Eine Verordnung von MTT ohne zusätzliche Krankengymnastik ist im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, da dies nicht mehr von dem Begriff des Heilmittels im Sinne des SGB 5 umfasst wird.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Feststellung eines sonstigen Schadens in Höhe von 1.205,28 DM für die Quartale II/96 und III/96.
Der Kläger ist seit 1987 als Arzt für Allgemeinmedizin mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie im Bereich der Beigeladenen zu 1 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Weiterhin ist er ärztlicher Leiter des Rehabilitationszentrums "B M", in dem mehrere Krankengymnasten, medizinische Bademeister, Diplom-Sportlehrer und Masseure beschäftigt sind. Diese Einrichtung erbringt ua Maßnahmen der ambulanten Rehabilitation aufgrund eines Vertrages mit den Krankenkassen, erbringt jedoch auch als zugelassener Leistungserbringer von Heilmitteln sonstige Leistungen ua der Krankengymnastik.
Der Kläger verordnete bei Versicherten der Beigeladenen zu 5 in den Quartalen II/96 und III/96 in zahlreichen Fällen "6 x Krankengymnastik doppelte Zeit MTT" bzw "6 x Krankengymnastik doppelte Zeit". Nach Angaben des Klägers wird die Hälfte der verordneten Zeit (ca 20 Minuten) auf Einzel-Krankengymnastik verwendet, wie dies in herkömmlichen Krankengymnastik-Praxen üblich ist. Die andere Hälfte der Zeit verwendet der Therapeut zum muskulären Aufbautraining unter individueller Anleitung des Therapeuten. Die Dauer des muskulären Aufbautrainings beläuft sich in wenigen Fällen auf ca 20 Minuten, in der Regel dauert es zwischen 40 und 90 Minuten pro Einzelfall. Das muskuläre Aufbautraining beinhaltet nach Angaben des Klägers als Teil der Krankengymnastik einfaches Bodentraining und später Übungen mit Therabändern unterschiedlicher Zugkraft, weiterhin zur Förderung der Koordination und Konzentration Übungen mit Kegelkreiseln, Halbwalzen, dem Trampolin, der Weichschaummatte, mit Bällen und Holzstangen. Weiterhin wird zur Stärkung der Muskulatur an speziell ausgewählten Trainingsgeräten gearbeitet. Die verordneten Leistungen wurden überwiegend im Zentrum "B M" durch die dort beschäftigten Leistungserbringer erbracht und von den Krankenkassen abzüglich des von den Versicherten zu tragenden Eigenanteils bezahlt.
Im April 1997 stellte die Beigeladene zu 5 einen Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise beim Prüfungsausschuss für die Quartale II/96 und III/96. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe in einer Vielzahl von Fällen eine medizinische Trainingstherapie inklusive isokinetischer Muskelfunktionsmessung verordnet. Diese Therapie sei in den Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien nicht aufgeführt und dürfe daher zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden. Der Kläger verordne außerdem gleichzeitig mehrere Heilmittel und auch längere Behandlungsserien, ohne dass hierfür eine besondere Begründung angegeben werde.
Der Prüfungsausschuss holte Auskünfte bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 11.8.1997 und vom 10.9.1997 ein. Hierin wurde ausgeführt, der Arbeitsausschuss Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen habe sich mehrfach mit der Methode der isokinetischen Muskelrehabilitation befasst. Hierbei sei am Rande auch die isokinetische Muskelfunktionsmessung und das isokinetische Muskeltr...