Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz vom 31. August 2000 werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. haben dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren je zur Hälfte zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der als Arzt für Allgemeinmedizin (Zusatzbezeichnungen: Sportmedizin, Chirotherapie) niedergelassene Kläger wendet sich gegen die von dem beklagten Beschwerdeausschuß vorgenommene Feststellung eines sonstigen Schadens für die Quartale II und III/1996. Der Prüfungsausschuß setzte – nach Einholung von Auskünften des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Bundesausschuß) und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – gegen den Kläger einen gegenüber der Beigeladenen zu 5. auszugleichenden Schaden in Höhe von 1.205,28 DM fest, da er deren Versicherten in neun Fällen „6 × Krankengymnastik doppelte Zeit MTT” bzw „6 × Krankengymnastik doppelte Zeit” verordnet habe; die sich hinter der Abkürzung MTT verbergende, dem muskulären Aufbau dienende Therapie sei in den Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien des Bundesausschusses (Heil- und Hilfsmittel-RL) nicht aufgeführt und daher nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähig; außerdem seien zugleich mehrere Heilmittel und längere Behandlungsserien ohne besondere Begründung verordnet worden.
Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung des Klägers hin hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz den Bescheid des Beklagten und das erstinstanzliche Urteil aufgehoben: Die streitigen Leistungen seien sehr wohl verordnungsfähig, da nach Nr 35.2 (P. Krankengymnastik) der Heil- und Hilfsmittel-RL auch die Aktivierung und Kräftigung geschwächter Muskulatur Behandlungsziel sein könne. Die Anwendung von Geräten stehe dem nicht entgegen, da die in den RL genannten Trainingsgeräte nur beispielhaft und nicht abschließend aufgeführt würden. Die Verwendung der Abkürzung MTT (für medizinische Trainingstherapie), welche im Rechtsstreit zu erheblicher Verwirrung geführt habe, schließe die Behandlung ebenfalls nicht aus, da – anders als dem Kläger entgegengehalten – keineswegs Fitneß-Training oder Bodybuilding verordnet worden sei. Der Kläger habe mit der Verwendung des Begriffs im Rahmen seiner Verordnung von Krankengymnastik nur darauf hinweisen wollen, daß eine Aktivierung und Kräftigung der Muskulatur mittels Geräten in die Behandlung einzubeziehen sei. Dieses stehe in Einklang mit Nr 25 Satz 1 der Heil- und Hilfsmittel-RL, wonach der Arzt auf der Verordnung spezielle Therapiehinweise geben solle. Nur die Verordnung von MTT ohne zusätzliche Krankengymnastik sei mangels Heilmitteleigenschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen; ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Nach Nr 17 der Heilmittel- und Hilfsmittel-RL und einer Protokollnotiz in der Anlage A zur Preisvereinbarung zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Krankengymnasten und Physiotherapeuten könnten zudem auch – vom Kläger nicht durchgehend praktiziert – Doppelbehandlungen verordnet werden. Der Leistungsmenge sei durch die Angabe der Diagnosen Rechnung getragen, zumal der nach den RL zu verwendende Vordruck nicht viel mehr Platz zur Begründung lasse. Ob der Kläger dabei unwirtschaftlich verordnet habe, sei nicht zu entscheiden (Urteil vom 31. August 2000).
Mit ihren Beschwerden wenden sich der Beklagte und die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung – unterstützt von den Beigeladenen zu 2., 3. und 5. – gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Sie machen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, „ob es sich bei der Verordnung von ‚Krankengymnastik doppelte Zeit MTT’ und ‚Krankengymnastik doppelte Zeit’ mittels Geräten’, die dem Bereich der medizinischen Trainingstherapie zuzuordnen sind, um eine im Sinne des § 32 SGB V und der Heil- und Hilfsmittel-RL zulässige Verordnung von Krankengymnastik handelt”. Hierzu beziehen sie sich auf Stellungnahmen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 10. September 1997 und des Bundesausschusses vom 24. August 2000.
Der Kläger tritt der Beschwerde entgegen, da es lediglich um die Auslegung seiner Verordnungen gehe und ihn angesichts des stattgebenden LSG-Urteils kein Verschulden treffe.
Entscheidungsgründe
II
Die bei wohlwollender Würdigung den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entsprechenden, zulässigen Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. sind unbegründet. Denn es fehlt der Rechtssache an der ihr von den Beschwerdeführern beigemessenen grundsätzlichen Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision nur zuzulassen, wenn die von der Beschwerde hinreichend deutlich bezeichnete Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die Voraussetzung der Klärungsbedürftigkeit fehlt hier, da es für die Beantwortung der von den Beschwerdeführern sinngemäß aufgeworfenen Frage der krankenversicherungsrechtlichen Zulässigkeit von muskulaturkräftigenden Maßnahmen im Rahmen von Krankengymnastik – soweit sie nicht ohnehin nur Einzelfallbezug aufweist – keines Revisionsverfahrens bedarf; denn sie ist eindeutig zu bejahen.
Soweit die Beschwerdeführer aus den in den Verordnungen verwendeten Formulierungen „Krankengymnastik doppelte Zeit MTT” und „Krankengymnastik doppelte Zeit mittels Geräten” Grundsätzliches herleiten wollen, ist ihnen bereits entgegenzuhalten, daß diese Worte nur im Einzelfall – allein vom Kläger – verwendet und vom LSG im Sinne von zulässigen Therapiehinweisen für die ausführenden Krankengymnasten ausgelegt wurden, so daß ihnen keine darüber hinausgehende, allgemeine Bedeutung zukommen kann. Das LSG hat entgegen dem Beschwerdevorbringen weder einen allgemeingültigen Inhalt aus den Begriffen „MTT” oder „Medizinische Trainingstherapie” abgeleitet noch mit Blick darauf einen bestimmten Begriffsinhalt isoliert unter den Heilmittelbegriff subsumiert. Es hat solches vielmehr gerade ausgeschlossen (Seite 13 2. Absatz des Urteils) und nur darauf abgestellt, daß die Verwendung von Geräten im Rahmen einer krankengymnastischen Aufbauübung, die auch bei reinen (sportbetonten) Trainingsmaßnahmen benutzt zu werden pflegen, der krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht für Krankengymnastik nicht entgegensteht.
Die sinngemäß im Kern von den Beschwerdeführern zugleich angesprochene Rechtsfrage nach der Vereinbarkeit von muskulaturkräftigenden Maßnahmen im Rahmen von Krankengymnastik mit dem Heilmittelbegriff kann zwar entscheidungserheblich sein. Denn ihre Beantwortung kann mittelbar darüber Aufschluß geben, ob der Kläger der Beigeladenen zu 5. wegen seines Verordnungsverhaltens tatsächlich nach § 48 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) schadensersatzpflichtig ist. Entgegen dem rechtlichen Ausgangspunkt des LSG und der Auffassung des Klägers kommt es nämlich bei diesem der Wirtschaftlichkeitsprüfung zuzurechnenden Anspruch (vgl BSGE 65, 154, 155 = SozR 2200 § 368e Nr 13 S 32; BSG vom 19. Juni 1996 – 6 RKa 27/95 = WzS 1997, 123) auf ein – hier wohl fehlendes (vgl Clemens in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherung, 1994, § 36 RdNr 52; BSGE 34, 248, 251 f = SozR Nr 3 zu EKV-Ärzte Allg) – Verschulden des Arztes nicht an.
Dem Erfolg der Beschwerde steht indessen entgegen, daß es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage unter dem Gesichtspunkt mangelt, daß ihre Beantwortung nach den dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften keinem vernünftigen Zweifel unterliegen kann (vgl zu diesem eine Grundsatzrevision ausschließenden Umstand allgemein zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38). Dieses ist hier ausgehend von den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angefochtenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) der Fall. Nach diesen Feststellungen hat der Kläger den Versicherten der Beigeladenen zu 5. in den streitigen Fällen „Krankengymnastik” iS von Nr 35.2 der Heil- und Hilfsmittel-RL verordnet und nicht isoliert Maßnahmen der medizinischen Trainingstherapie ohne Bezug zur Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung. Er hat danach die Verordnung in der durch Nr 25 Satz 1 Heil- und Hilfsmittel-RL gebotenen Weise für die ausführenden, fachkundigen Leistungserbringer durch Verwendung des Kürzels „MTT” dahin präzisiert, daß eine „Aktivierung und Kräftigung geschwächter Muskulatur” vorgenommen werden sollte, und zwar auch „unter Anwendung von Geräten”. Das LSG hat in beanstandungsfreier Weise dargelegt, daß sowohl das genannte Behandlungsziel von den RL erfaßt wird (Nr 35.2 am Ende RL), als auch die Anwendung von Geräten (zB Ball, Keule, Schlingentisch, vgl Nr 35.2.1.1, erster Spiegelstrich RL) der Einordnung als Krankengymnastik nicht entgegensteht. Dafür, daß die Krankengymnastik auf die Verwendung bestimmter „sehr einfacher” Gerätschaften beschränkt ist, geben die RL keine Anhaltspunkte.
Soweit die Beschwerdeführer schließlich die Verordnung von „doppelter Zeit” und somit den Umfang der ärztlichen Verordnungstätigkeit beanstanden, ist ein Bezug zu der für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage und der ihr im Rechtsstreit zugrundeliegenden Vorschrift des BMV-Ä nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen