Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung bzw Wegfall des Arbeitslosengeld II. Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung der Eingliederungsvereinbarung. Gewährung ergänzender Sachleistungen bei vollständiger Leistungsabsenkung. Verfassungswidrigkeit bei fehlenden Sachleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rechtsfolgenbelehrung ist nur dann hinreichend, wenn keine Unklarheit besteht, auf welche mögliche Pflichtverletzung sie sich bezieht und wenn sich die drohende Rechtsfolge der Belehrung eindeutig und ohne komplexe Zwischenüberlegungen und rechtliche Bewertungen entnehmen lässt.
2. Eine Sanktion mit einer vollständigen Absenkung des Arbeitslosengelds II erfordert in der Regel eine gleichzeitige Prüfung und Entscheidung darüber, ob ergänzende Sachleistungen zu gewähren sind.
Orientierungssatz
Ein vollständiger Ausschluss von staatlicher Hilfe trotz Hilfebedürftigkeit ist nicht mit Art 1 Abs 1 iVm Art 2 Abs 2 S 1 GG vereinbar.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Rechtsanwältin R.-K. gewährt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Sanktionsentscheidung zur Absenkung des Arbeitslosengeldes II für Leistungsberechtigte nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Der 1989 geborene Antragsteller hat die Hauptschule abgeschlossen und bisher keine abgeschlossene Berufsausbildung. Der Antragsteller bewohnt allein eine Wohnung, für die er einschließlich Warmwasserbereitung 310 Euro monatlich Miete zu zahlen hat. Er bezog von dem Antragsgegner laufend als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts Arbeitslosengeld II (Alg II). Dieses wurde aufgrund eines unentschuldigten Fehlens in einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung mit Bescheid vom 26. April 2010 in dem Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis zum 31. Juli 2010 hinsichtlich der Regelleistung vollständig gemindert. In dem Bescheid belehrte der Antragsgegner, dass bei einer "wiederholten gleichartigen Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 oder 4 SGB II das Alg II um 100 von Hundert für die Dauer von drei Monaten gemindert" werde und dass eine wiederholte Pflichtverletzung nicht mehr vorliege, wenn seit Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums ein Jahr vergangen sei. Im Anhang waren die entsprechenden Vorschriften abgedruckt. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller keinen Rechtsbehelf. Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller ergänzend für die Zeit der Leistungsabsenkung Wertgutscheine.
Mit Bescheid vom 5. August 2010, geändert durch Bescheide vom 6. September 2010 und 19. November 2010 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vom September 2010 bis Februar 2011 (für September 2010 243,41 Euro, für Oktober 2010 432,64 Euro und ab dem November 2010 bis Februar 2011 497,64 Euro monatlich). Der Antragsteller bezog seit dem September 2010 Einkommen in Höhe des Kindergeldes von 184 Euro monatlich. Im September 2010 erfolgte eine tatsächliche Betriebskostengutschrift des Vermieters in Höhe von 159,23 Euro.
Nachdem der Antragsteller bei dem Antragsgegner am 18. Mai 2010 zur Abholung der Wertgutscheine erschien und seine finanziellen Schwierigkeiten darlegte, unterbreitete der Antragsgegner ihm ein weiteres Angebot zur Teilnahme an einer Maßnahme mit Mehraufwandsentschädigung. In einem als "Teilvereinbarung Nr. 1 zur Eingliederungsvereinbarung vom 4. Mai 2010" bezeichneten Schriftstück vom 21. Mai 2010 verpflichtete sich der Antragsteller zur Teilnahme an der Maßnahme "M A G " bei der I S. gesellschaft (I. ) für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 28. Februar 2011. Dabei sollte es sich um eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung handeln, für die eine Aufwandsentschädigung von 1 Euro je Arbeitstunde vereinbart wurde. Der Kläger verpflichtete sich, "durch das Verhalten (unentschuldigtes Fehlen oder Störung der Betriebsordnung) nicht den Abbruch der Maßnahme herbeizuführen" und eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit dem Träger unverzüglich anzuzeigen. In das Schriftstück war eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgendem Inhalt aufgenommen: "Kommen Sie den oben genannten Pflichten nicht nach oder geben Sie eine derzeit oder zukünftig ausgeübte Tätigkeit auf, wird Ihr Arbeitslosengeld II auf die Leistungen für ihre Unterkunft und Heizung beschränkt. Die für Sie maßgebenden Kosten der Unterkunft und Heizung entnehmen Sie bitte dem Berechnungsbogen Ihres aktuell geltenden Leistungsbescheides. Dies gilt nicht, wenn Sie einen wichtigen Grund für Ihr Verhalten nachweisen. Der Zeitraum für eine Leistungskürzung beträgt 3 Monate. Sie beginnt in dem Kalendermonat, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung feststellt, folgt. Werden wiederholt gleichartige Pflichten verletzt, wird Ihr Arbeitslosengeld II um 100% gemindert. Es werden dan...