Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. ne ultra petita. Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung. erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung. alternative Informationsbeschaffung nur mit erheblichem Aufwand. Anordnungsgrund. Behördeninterne Erkundigungen. Sozialdatenschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem für einstweilige Rechtsschutzverfahren entsprechend geltenden Grundsatz "ne ultra petita" ist der Antragsgegner nur zur vorläufigen Zahlung ausdrücklich beantragter Beträge zu verpflichten.
2. Waren die Ermittlungen der Behörde durch das Verhalten des Antragstellers nicht erheblich erschwert, kann die beantragte Leistung nicht wegen fehlender Mitwirkung gem § 66 Abs 1 S 1 SGB 1 versagt werden.
Orientierungssatz
Die Erheblichkeit der Erschwerung setzt voraus, dass die Aufklärung des Sachverhalts ohne die Mitwirkungshandlung nur mit beträchtlichem Verwaltungsaufwand möglich ist (vgl BSG vom 26.5.1983 - 10 RKg 13/82 = SozR 1200 § 66 Nr 10)
Normenkette
SGB I § 66 Abs. 1 S. 1, § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; SGB XII § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 41 Abs. 1, 3, § 42 Nrn. 1, 4, § 44 Abs. 1 S. 1; SGG § 86b Abs. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 28. Juni 2013 abgeändert.
Der Antragsgegner wird vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 24. Mai 2013 bis zum 30. Juni 2013 in Höhe von monatlich insgesamt 164,78 EUR und für die Zeit ab 1. Juli 2013 bis zum 30. November 2013 in Höhe von monatlich insgesamt 148,25 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für die Zeit ab 1. Dezember 2012.
Der am ... 1955 geborene Antragsteller lebt in M. in einer Mietwohnung. Für diese ist eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 281,60 EUR aus 173,60 EUR Grundmiete, 58,00 EUR Betriebskostenvorauszahlungen und 50,00 EUR Heizkostenvorauszahlungen zu zahlen. Zudem zahlt er Kabelgebühren in Höhe von monatlich 11,36 EUR. Die mietvertraglichen Vereinbarungen lassen die Anbringung privater Antennenanlagen nicht zu. Der Fernsehempfang ist durch keine andere technische Einrichtung gewährleistet. Er verfügt über Einkommen aus einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 502,75 EUR bis Dezember 2012, in Höhe von 502,18 EUR von Januar bis Juni 2013 und in Höhe von 518,71 EUR ab Juli 2013. Aufstockend erhielt er bis zum 30. November 2012 laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Antragsgegner, zuletzt in Höhe von monatlich 164,21 EUR. Dabei wurden Absetzungen vom Einkommen des Antragstellers nicht vorgenommen. Weiter erhält der Antragsteller Leistungen der Hilfe zur Pflege, die auf seinen Bedarf für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht angerechnet werden.
Unter anderem in Angelegenheiten der Geltendmachung von Ansprüchen und Vertretung vor Ämtern, Behörden und Einrichtungen ist Herr T. L. ausweislich der Bestellungsurkunde des Amtsgerichts M. vom 5. September 2005 gerichtlich bestellter Betreuer des Antragstellers.
Im Rahmen des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 25. September 2012 mit, dass der Bewilligungszeitraum in Kürze enden werde und forderte zur Antragstellung bis zum 30. Oktober 2012 auf.
Am 9. November 2012 reichte der Betreuer des Antragstellers die Nebenkostenabrechnung vom 5. November für die vom Antragsteller bewohnte Wohnung und den Abrechnungszeitraum 1. Januar bis zum 31. Dezember 2011 ein. Die Abrechnung endete mit einem Guthaben aus Betriebskostenabrechnung in Höhe von 77,45 EUR und aus Heizkostenabrechnung in Höhe von 12,44 EUR, mithin insgesamt 89,89 EUR. Aus den an den Antragsgegner am 9. November 2012 übermittelten Unterlagen ergibt sich weiter die Mitteilung des Betreuers des Antragstellers an die Hausverwaltung, das Guthaben im Dezember zu verrechnen.
Zahlungen des Antragsgegners für Dezember 2012 blieben aus. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2012 forderte der Betreuer des Antragstellers den Antragsgegner auf, Leistungen für die Zeit ab 1. Dezember 2012 weiter zu gewähren. Dabei vertrat er unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R - die Auffassung, im Rahmen des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sei weder der Ablauf des Bewilligungszeitraums einschlägig, noch ein Weiterbewilligungsantrag zu stellen. Lediglich der bereits eingereichte aktuelle Rentenbescheid sei vorzulegen. Bleibe der Antragsgegner dabei, da...