Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz während eines Überprüfungsverfahrens gegenüber einem bindend gewordenen ablehnenden Bescheid

 

Orientierungssatz

1. In den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Sozialgericht auf Antrag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung anordnen.

2. Ein solcher Antrag ist nur statthaft, wenn ein gegenüber dem Antragsteller noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegt. Der Umstand, dass der Verwaltungsakt, um dessen Vollziehung es geht, unanfechtbar geworden ist, macht einen Antrag nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG unzulässig.

3. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG das Bestehen eines streitigen Rechtsverhältnisses voraus. Ist das Rechtsverhältnis durch die eingetretene Bindungswirkung verbindlich geregelt, so ist es einer einstweiligen Regelung nicht mehr zugänglich.

4. Ein nach § 44 SGB 10 gestellter Überprüfungsantrag ändert die Bestandskraft des Ursprungsbescheides so lange nicht, wie ihm nicht ganz oder teilweise entsprochen worden ist.

5. Zwar ist die Anbringung eines Antrags im einstweiligen Rechtsschutz nach gestelltem Überprüfungsantrag wieder möglich, weil der Einwand des Nichtbestehens eines einer einstweiligen Regelung zugänglichen Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten entfällt. An die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes sind in einem solchen Fall aber besonders strenge Anforderungen zu stellen. Sie erfordert die Darlegung massiver Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse.

6. Gelingt eine solche Glaubhaftmachung nicht, so ist es dem Antragsteller zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg (SG), das seinen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt hat.

Der am. 1974 geborene Antragsteller bezieht vom Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 23. März 2011 bewilligte er für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. September 2011 monatliche Leistungen iHv 642,53 EUR (359,00 EUR Regelleistung und 283,53 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU)).

Bereits am 8. November 2010 hatten die Beteiligten eine bis zum 7. Mai 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung (EV) abgeschlossen, nach der sich der Antragsteller u.a. durch vier Bewerbungen monatlich und die regelmäßige Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme mit Anwesenheitspflicht um eine Eingliederung in Arbeit bemühen sollte. Konkret wurde ihm auferlegt, an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16d Satz 2 SGB II ("Art der Tätigkeit: Bauhelfer; Tätigkeitsort M ; zeitlicher Umfang: 30 h wöchentlich; zeitliche Verteilung: Teilzeit; Höhe der Mehraufwandsentschädigung pro Stunde: 1,28 EUR; individuell verfolgtes Maßnahmeziel Stabilisierung und Aktivierung") teilzunehmen.

Mit Schreiben vom 23. März 2011 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur Absenkung oder zum Wegfall der Leistungen gemäß § 31 SGB II an. Er habe seit dem 4. März 2011 unentschuldigt an einer Maßnahme nicht teilgenommen. Dazu erklärte dieser bei seiner Vorsprache am 5. April 2011, es falle ihm aufgrund seiner langjährigen Arbeitslosigkeit nicht leicht, sich an frühe Anfangszeiten und pünktliches Erscheinen zu gewöhnen.

Mit Bescheid vom 14. April 2011 verfügte der Antragsgegner den vollständigen Wegfall der Regelleistungen in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2011. Der Antragsteller habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die in der EV festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt, da er seine Eigenbemühungen nicht hinreichend nachgewiesen habe. Die angegebenen Gründe dafür seien bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig iSv § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. anzuerkennen. Auf Antrag könnten ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere Lebensmittelgutscheine - gewährt werden. Mit Änderungsbescheid vom selben Tag bewilligte der Antragsgegner für den Sanktionszeitraum monatliche Leistungen iHv 283,53 EUR (nur KdU). Dagegen legte der Antragsteller keinen Widerspruch ein.

Am 20. Mai 2011 beantragte er bei dem Antragsgegner ein Darlehen iHv 450,00 EUR. Aufgrund der 100 %igen Regelleistungskürzung sei er nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. Mai 2011 ab. Im Bescheid wies er darauf hin, dass dem Antragsteller während des Sanktionszeitraums Lebensmittelgutscheine zustünden.

Am 6. Juni 2011 hat der Antragsteller bei dem SG einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und die unge...

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