Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Leistungsausschluss für Auszubildende. Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Ausbildungsgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn einem behinderten Menschen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 97 ff SGB 3) gewährt werden, verdrängt die Bewilligung dieser besonderen Leistungen nach den §§ 102 ff SGB 3 die allgemeinen Leistungen zur Berufsausbildung nach den §§ 59 bis 76 SGB 3. Die geförderte Maßnahme ist ein aliud zu einer mit Berufsausbildungsbeihilfe geförderten Ausbildung, so dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 nicht anwendbar ist.

 

Orientierungssatz

Die Benennung des Ausbildungsgeldes in § 22 Abs 7 S 1 SGB 2 aF bzw § 27 Abs 3 S 1 SGB 2 nF beruht auf einem gesetzgeberischen Irrtum.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob der Antragsteller aufgrund der Teilnahme an einer nach §§ 97ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) geförderten Maßnahme von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gemäß 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen ist.

Der am ... 1985 geborene, unter Betreuung stehende Antragsteller und Beschwerdegegner bezog vom Antragsgegner laufende Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 5. Mai 2010 bewilligte der Antragsgegner monatliche Gesamtleistungen iHv 591,80 EUR (Regelleistung 359,00 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung 232,80 EUR) für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2010.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2010 gewährte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Sangerhausen (BA), dem Antragsteller zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben dem Grunde nach Ausbildungsgeld für eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme im Berufsbildungswerk (BBW) O. gGmbH in P. ab dem 1. September 2010. Dies teilte der Antragsteller dem Antragsgegner am 26. Juli 2010 mit. Mit Bescheid vom 3. August 2010 bewilligte die BA Ausbildungsgeld iHv 102,00 EUR monatlich, Reisekosten iHv 127,20 EUR sowie Lehrgangskosten für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. Juli 2011 als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) gemäß §§ 97 ff. SGB III iVm § 33 und §§ 44 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe (SGB IX).

Nachdem der Antragsgegner bereits ab September 2010 die weitere Auszahlung der Leistungen eingestellt hatte, ohne den Antragsteller davon zu unterrichten, hob er mit Bescheid vom 15. September 2010 die Leistungsbewilligung ab dem 1. September 2010 vollständig auf. Der Antragsteller sei gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen, denn er habe eine Ausbildung aufgenommen, für die er gemäß §§ 97 ff. SGB III Ausbildungsgeld erhalte.

Einen daraufhin gestellten Antrag auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) gemäß den § 59 ff. SGB III lehnte die BA mit Bescheid vom 27. September 2010 ab. Er nehme an einer rehaspezifischen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teil, für die gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nur ein Anspruch auf Ausbildungsgeld bestehe.

Der gegen die Aufhebung der SGB II-Leistungen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2010 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme sei nach §§ 60 bis 62 SGB III grundsätzlich förderungsfähig, sodass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II greife. Es sei unschädlich, dass die Bildungsmaßnahme als LTA gefördert werde und kein BAB sondern Ausbildungsgeld gezahlt werde. Denn es komme allein auf das Vorliegen einer der in den §§ 60 bis 62 SGB III genannten Ausbildungsarten an. Zudem gehe der Gesetzgeber in § 22 Abs. 7 SGB II a.F. ersichtlich davon aus, dass Ausbildungsgeldbezieher von § 7 Abs. 5 SGB II erfasst seien. Die Vorschrift habe insoweit klarstellenden Charakter. Dagegen hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage erhoben, die unter dem Az. S 21 AS 3291/10 anhängig ist.

Bereits am 8. Oktober 2010 hat er bei dem SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und zur Begründung ausgeführt, er nehme als LTA an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teil; er absolviere keine Ausbildung iSv § 7 Abs. 5 SGB II. Wegen der LTA komme es auf eine etwaige Förderungsfähigkeit dieser Maßnahme nach anderen Vorschriften nicht an. Er erhalte weder BAB nach dem SGB III noch Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Er habe aufgrund des Bezugs von Ausbildungsgeld keinen Anspruch auf BAB, was dem Bescheid der BA vom 27. September 2010 zu entnehmen sei. Er sei aktuell in einer finanziellen Notlage, denn er könne die Miete für seine Wohnung nicht bezahlen. Ihm drohe die Kündigung.

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2010 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klag...

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