Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Abwrack- bzw Umweltprämie. Zweckbestimmte Einnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Die Umweltprämie ist eine zweckbestimmte Einnahme. Sie beeinflusst gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II die Lage des Empfängers nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären, wenn sie zur Finanzierung eines mit dem Erwerb des Fahrzeugs verbundenen Zwecks dient (hier: Tilgung eines Kredits für das Altfahrzeug).

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die den Antragstellern entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Den Antragstellern wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwältin B., W., bewilligt.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen die im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgte vorläufige Verpflichtung, den Antragstellern weitere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ohne monatliche Anrechnung der anteiligen Umweltprämie i.H.v. 208,33 €/Monat zu gewähren.

Die am … 1976 geborene Antragstellerin zu 1. bezieht zusammen mit ihrem am 1997 geborenen Sohn, dem Antragsteller zu 2., seit 2005 Leistungen nach dem SGB II.

Anlässlich eines persönlichen Gesprächs im Rahmen der Stellung eines Antrags auf Weitergewährung der Leistungen gab die Antragstellerin zu 1. am 16. Juni 2009 beim Antragsgegner an, beim Kauf eines Neuwagens sei die ihr zu gewährende “Abwrackprämie„ mit dem Kaufpreis verrechnet worden.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2009 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern SGB II-Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 2009 unter Anrechnung eines monatlichen Betrags i.H.v. 208,33 € als Einkommen. Da der genaue Zeitpunkt des Zuflusses der “Abwrackprämie„ nicht bestimmbar sei, werde der Tag der Mitteilung darüber (16.06.2009) als Zuflusszeitpunkt herangezogen. Da die Leistungen für Juni 2009 bereits ausgezahlt gewesen seien, erfolge die Einkommensanrechnung ab Juli 2009 bis 30. Juni 2010.

Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller unter dem 1. Juli 2009 Widerspruch ein. Bei der “Abwrackprämie„ handele es sich um zweckgebundenes Einkommen, das nicht bedarfsmindernd berücksichtigt werden könne. Über diesen Widerspruch hat der Antragsgegner - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Am 1. Juli 2009 haben die Antragsgegner beim Sozialgericht Magdeburg (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009, längstens bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, über die mit Bescheid vom 26. Juni 2009 bewilligten Leistungen hinaus SGB II-Leistungen ohne monatliche Anrechnung der Umweltprämie zu gewähren.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2009 hat das SG den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet, an die Antragsteller vorläufig höhere Leistungen als die mit Bescheid vom 26. Juni 2009 bewilligten Leistungen ohne Anrechnung der Umweltprämie zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Umweltprämie werde im Rahmen eines konjunktur- und umweltpolitischen Programms zur Stärkung der PKW-Nachfrage gewährt und sei daher eine zweckbestimmte Einnahme. Die Umweltprämie stehe einem Antragsteller nur dann zu, wenn er einen Neuwagen bei gleichzeitiger Verschrottung seines Altfahrzeugs erwerbe. Eine anderweitige Verwendung als zum Erwerb eines Neuwagens sei ausgeschlossen. Sie stünde den Antragstellern insoweit nicht zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Sie sei daher mindestens genauso zu begünstigen wie die Eigenheimzulage.

Gegen den ihm am 15. Juli 2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 20. Juli 2009 Beschwerde eingelegt. Entgegen der Ansicht des SG müsse die Umweltprämie nicht zur Finanzierung eines Neuwagens verwendet werden. Sie sei, wie sich aus der Wortbedeutung ergebe, lediglich eine staatliche Zugabe, eine Belohnung. Sie habe auch nicht den Zweck, den Kaufpreis eines Neufahrzeugs zu finanzieren. Entscheidend sei, dass sie vom Antragsteller frei verwendet werden könne. Im Übrigen beeinflusse die Zahlung der Umweltprämie die Lage des Empfängers so günstig i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt seien. Auch könne die Umweltprämie nicht als Ersatz für ein nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II als angemessenes Kraftfahrzeug geschütztes Vermögen anrechnungsfrei gestellt werden.

Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

unter Aufhebung des Beschlusses des SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen sowie ihnen zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

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