Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeldbeschluss bei unwirksamer Zustellung. Kostenfestsetzung analog gem § 197a SGG. Erstattung der außergerichtlichen Kosten. entsprechende Anwendung des § 467 Abs 1 StPO bei erfolgreicher Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 178 Abs 1 Nr 2 ZPO kann das Schriftstück einer in den Geschäftsräumen beschäftigten Person zugestellt werden. "Geschäftsraum" muss aber eine Räumlichkeit des Zustellungsadressaten sein. Für einen Arzt, der in einem Schmerzzentrum als Angestellter tätig ist, kann ein solcher Geschäftsraum nicht Ort einer Ersatzzustellung sein. Eine Heilung der unwirksamen Ersatzzustellung nach § 189 ZPO setzt den tatsächlichen Zugang voraus.
2. Sofern ein unwirksamer Ordnungsgeldbeschluss gegen einen Zeugen aufgehoben wird, beruht die Kostenentscheidung auf einer analogen Anwendung des § 197a SGG. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Bei einer erfolgreichen Beschwerde ist § 467 Abs 1 StPO entsprechend anzuwenden. Von der Erhebung von Gerichtsgebühren ist gemäß § 21 GKG abzusehen.
Tenor
Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. September 2010 wird aufgehoben.
Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn als Zeugen verhängten Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens zum Termin.
Das Sozialgericht Magdeburg (SG) hat den Beschwerdeführer in einem Rechtshilfeersuchen des Landesversorgungsamtes zur Erstattung eines Befundberichts am 15. Juli 2010 zum Termin am 28. September 2010 geladen. Die Ladung wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 22. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten Herrn N. zugestellt. Mit der Ladung ist der Beschwerdeführer auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens vom Termin (Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis sechs Wochen) hingewiesen worden. Eine Ladung gleichen Inhalts erfolgte noch einmal am 7. September 2010 und wurde per PZU vom 13. September 2010 an den Beschwerdeführer "Persönlich/Vertraulich" durch Übergabe an die im Schmerzzentrum B. beschäftigte Frau L. zugestellt. Zur Verhandlung am 28. September 2010 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.
Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 28. September 2010 aufgrund des Nichterscheinens des Beschwerdeführers zum Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft für die Dauer von zwei Tagen festgesetzt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes sei aufgrund des zu vermutenden Einkommens und nach den hier vorliegenden Umständen die Festlegung der Höhe von 250,00 EUR angemessen.
Per Fax hat der Beschwerdeführer am 29. September 2010 den angeforderten Befundbericht erstattet und mitgeteilt, die entsprechende Anforderung sei bei ihm erst heute eingegangen.
Gegen den ihm am 6. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 20. Oktober 2010 Beschwerde beim SG erhoben und diese wie folgt begründet: Das Schmerzzentrum B. sei nicht seine eigene Praxis, er sei ein Angestellter dieser Einrichtung. Die Zustellungen seien nicht an ihn persönlich, sondern an Kollegen erfolgt. Über diese habe er keine Weisungsbefugnis.
Das SG hat die Sache dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats, wer Inhaber des Schmerzzentrums und in welcher Rechtsform der Beschwerdeführer tätig sei, hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des Ärztlichen Leiters des MVZ Schmerzzentrum B. vom 15. November 2010, Dr. J., vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei im Angestelltenverhältnis tätig. Er sei nicht mit leitenden oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfüge nicht über die arbeits-organisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung.
II. Die nach §§ 172, 173 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und zugleich ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.
Die Ladung des Beschwerdeführers zum Termin am 28. September 2010 wurde per PZU vom 22. Juli und 13. September 2010 durch die Übergabe im Schmerzzentrum B. an die dort beschäftigten N. und L. zugestellt. Diese Zustellungen sind nicht wirksam, weil sie nicht den Vorschriften des § 63 SGG i.V.m. §§ 176 ff. ZPO entsprechen und auch keine Heilung eingetreten ist. Zwar kann eine Ersatzzustellung auch in Geschäftsräumen vorgenommen werden. Nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt insow...